So will ich schweigen
erkennen konnte. Irgendetwas an dem Jungen ließ die Rädchen in Babcocks Hinterkopf rattern.
»Chef, das ist Kit McClellan. Er hat das Op… die tote Frau gefunden.«
Babcock sah, dass der Junge mit den Zähnen klapperte. »Sheila, haben Sie eine Rettungsdecke im Kofferraum?«
»Ich hole sie.« Als Larkin loszog, fiel Babcock auf, dass sie sich ausnahmsweise dem Wetter entsprechend gekleidet hatte, mit Hose und Stiefeln. Er musste sich eingestehen, dass er sich klammheimlich auf den Anblick Larkins gefreut hatte, wie sie in einem ihrer superkurzen Röcke über einen Zauntritt kletterte.
»Jetzt sorgen wir erst mal dafür, dass du nicht mehr frierst«, sagte er zu dem Jungen und widerstand der Versuchung, ihm den Arm um die Schultern zu legen. Er war einfach nicht der Typ, der Kinder – oder Zeugen – knuddelte, wenngleich er bemüht war, nett und freundlich zu sein. Und geduldig, auch wenn das ihm schon schwerer fiel. Wie zum Beispiel jetzt: Er konnte es kaum erwarten, die Leiche am Leinpfad in Augenschein zu nehmen, doch er wusste, dass er seine Neugier noch einen Moment im Zaum halten musste. Seine erste Pflicht war es, dem Jungen zu helfen, sich an alle Details zu erinnern, die wichtig sein könnten. Er berührte leicht Kits Schulter und führte ihn hinunter zur Brücke und dem Rasenstück unterhalb des Spielplatzes.
»Brauchst du eine Leine für deinen Hund?«, fragte er, als Larkin mit der silberfarbenen, zu einem kleinen Quadrat zusammengelegten Decke zurückkam. Sie entfaltete sie und legte
sie dem Jungen wie ein Cape um die Schultern, der nun gezwungen war, den Hund mit einer Hand loszulassen, um die Ecken der Decke festzuhalten.
»Nein … ich … Sie läuft schon nicht weg.« Der Junge setzte den Hund auf den Rasen, sagte »Platz, Tess!«, und machte ein Handzeichen. Die Terrierhündin legte sich sofort hin, doch ihre leuchtenden Knopfaugen fixierten immer noch besorgt ihr Herrchen.
»Also, du bist heute Morgen mit deinem Hund spazieren gegangen?«, fragte Babcock. Dass ein Junge in seinem Alter an einem Ferientag freiwillig so früh auf den Beinen war, kam ihm reichlich merkwürdig vor.
Der Junge nickte und presste die Lippen zusammen, um seine immer noch klappernden Zähne unter Kontrolle zu bekommen.
»Warum erzählst du mir nicht einfach, was passiert ist?«, versuchte Babcock ihn behutsam zum Reden zu bringen, und er fing einen überraschten Blick von Larkin auf. Traute sie ihm etwa nicht zu, ein traumatisiertes Kind zu vernehmen? »Ich bin übrigens Detective Superintendent Babcock.«
»Ich habe das Boot gesehen«, sagte der Junge. »Ich habe es gleich erkannt – die Horizon -, und ich dachte, ich würde vielleicht Annie – Miss Lebow – sehen. Aber als ich näher kam, lag da etwas auf dem Weg, und dann habe ich gesehen …« Er brach ab und schluckte krampfhaft. »Ich wusste, dass sie tot war, aber ich … ich bin zu ihr hingegangen, ich musste es genau wissen. Dann hat Tess mich eingeholt, und ich wollte nicht, dass sie den Tatort kontaminierte. Deshalb habe ich sie auf den Arm genommen.
Ein Stück weiter war ein Bauernhaus, aber es war auf der anderen Seite des Kanals, und ich wusste nicht, wie ich dort hinkommen sollte, also bin ich hierher zurückgelaufen. Das Pub war geschlossen, deshalb habe ich bei der Dame dort an
die Tür geklopft.« Er deutete auf eine kräftige Frau, die sie von der anderen Straßenseite aus beobachtete. Sie trug einen Mantel über ihrem Pyjama und rosa Plüschpantoffeln. »Ich habe sie gebeten, die Polizei anzurufen. Und als der Constable kam, habe ich ihn zum Tatort geführt.«
Diese Jugendlichen von heute glotzten anscheinend den ganzen Tag Krimis im Fernsehen, dachte Babcock, der überrascht registriert hatte, wie locker dem Jungen der Ausdruck »den Tatort kontaminierte« über die Lippen gegangen war. Aber er hatte genau richtig gehandelt, und er hatte es verdient, das auch zu hören. »Gut gemacht, Junge. Hast du sonst noch etwas gesehen? Irgendwelche Leute auf dem Leinpfad?«
Der Junge schüttelte den Kopf.
»Die verstorbene Frau … du sagst, du hast sie wiedererkannt? Hast du sie gut gekannt?«
»Nein. Mein Vater und ich haben sie vorgestern kennengelernt, als wir am Kanal spazieren gingen.« Er schluckte wieder und blinzelte ein paar Tränen weg. Babcock wandte den Blick ab und wartete, bis der Junge mit einem leisen Zittern in der Stimme fortfuhr: »Sie war nett. Sie hat uns zu einer Tasse Tee an Bord eingeladen, und sie sagte, wenn wir
Weitere Kostenlose Bücher