So will ich schweigen
Horizon mit dem Durcheinander in dieser Wohnküche vergleichen. Das passte irgendwie nicht zusammen. »Mr. Constantine, Sie erwähnten ja schon, dass Sie von Ihrer Frau getrennt lebten. Würden Sie sagen, dass Sie sich auseinandergelebt hatten?«
»Nein. Jedenfalls nicht in dem Sinne, dass wir Streit oder unüberbrückbare Meinungsverschiedenheiten gehabt hätten, wenn Sie das meinen.« Constantine schien jetzt geradezu das
Bedürfnis zu haben zu reden. »Ich weiß, unsere Wohnsituation dürfte Außenstehenden etwas sonderbar vorkommen, aber unser Leben hatte sich ganz einfach in verschiedene Richtungen entwickelt. Sie ist gerne allein – sie musste sich in Ruhe über einige Dinge klar werden, nachdem sie ihren Beruf aufgegeben hatte. Und ich hatte nichts dagegen, hier zu bleiben und mich um das Haus zu kümmern. Wir waren … wir sahen beide keine Notwendigkeit, über eine Scheidung nachzudenken.«
»Aber Sie haben oft miteinander gesprochen?«
»Ziemlich oft. Es kam vor, dass ich mal ein paar Wochen nichts von ihr gehört habe. Das bedeutete meistens, dass es ihr nicht besonders gut ging.« Constantines Blick ging von Kincaid zu Babcock. »Sind Sie sicher, dass sie sich nicht …«
»Wir können ausschließen, dass Ihre Frau selbst Hand an sich gelegt hat, Mr. Constantine«, sagte Kincaid und beobachtete, wie sich die Züge des anderen ein wenig entspannten. Warum das eine Beruhigung sein sollte, warum Selbstmord offenbar schlimmer als Mord war, leuchtete ihm nicht ganz ein – vielleicht lag es an den unvermeidlichen Schuldgefühlen, die der Suizid eines geliebten Menschen den Hinterbliebenen aufbürdete.
»Aber wenn sie nicht … Wurde sie denn ausgeraubt? Ich habe ihr immer wieder gesagt … Sie besaß eigentlich nichts wirklich Wertvolles, aber das Boot selbst …« Constantine stand plötzlich auf und fuhr sich mit beiden Händen durch die weißen Haarstoppeln, als könne er seine Ergriffenheit nicht länger im Zaum halten.
Babcock schaltete sich wieder ein. »Es deutet nichts darauf hin, dass Ihre Frau beraubt oder etwas aus dem Boot entwendet wurde. Sie werden sich natürlich zu gegebenem Zeitpunkt dort umsehen müssen, um uns zu bestätigen, dass nichts fehlt.«
»Aber was …« Constantine starrte sie mit großen Augen an,
seine Pupillen waren geweitet. Der Hund stupste sein Knie an und winselte, doch er ignorierte ihn. »Aber was um alles in der Welt ist denn nun meiner Frau passiert?«, fragte er mit erhobener Stimme. »Was verschweigen Sie mir?«
Babcock zögerte, und Kincaid vermutete, dass er die Nachteile einer Preisgabe der genauen Todesumstände gegen seine Pflicht abwog, einem Mann, der gerade seine Frau verloren hatte, keine Informationen vorzuenthalten. Nichts von dem, was Constantine gesagt hatte, deutete darauf hin, dass er irgendetwas über den Ablauf des Verbrechens wusste, und ohnehin würden sie die Details nicht sehr viel länger geheim halten können. »Die Leiche Ihrer Frau wurde am Ufer gefunden, nicht auf dem Boot, Mr. Constantine«, sagte Babcock schließlich. »Jemand hat ihr den Schädel eingeschlagen.«
»O mein Gott.« Constantine ergriff die Rückenlehne seines Stuhls und ließ sich wie ein Blinder langsam und ohne hinzusehen darauf niedersinken. »Warum sollte irgendjemand meiner Frau nach dem Leben trachten?«
»Wir hatten gehofft, dass Sie uns das sagen könnten.«
»Annie hat nie einem Menschen etwas zuleide getan – mein Gott, sie hatte ja kaum Kontakt mit anderen Leuten.« Er sagte es in einem anklagenden Ton. »Sie wurde doch nicht … sagen Sie mir bitte, dass sie nicht …« Die Farbe wich aus seinem Gesicht.
Mit überraschend sanfter Stimme antwortete Babcock: »Es sieht nicht so aus, als sei Ihre Frau sexuell missbraucht worden.«
Constantine vergrub das Gesicht in den Händen und saß regungslos da.
Nach einer Weile stand Kincaid auf und ging zur Spüle. Im zweiten Schrank, in dem er nachsah, fand er ein Glas. Während er es am Wasserhahn füllte, fiel ihm auf, dass die dunkelblauen Kacheln der Arbeitsfläche mit feinen weißen Haaren
übersät waren. Offenbar teilten Roger Constantine und sein Schäferhund das Haus mit einer Katze. Er fragte sich, ob sie wohl Annie gehört hatte, und wenn ja, warum sie sie nicht mitgenommen hatte. Er konnte sich die Frau gut mit einer Katze vorstellen – einem Haustier, das nicht viel Schmutz machte und ähnlich reserviert war wie sie selbst.
Das Leitungswasser war eiskalt. Er hielt das Glas einen Moment lang in
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