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So will ich schweigen

So will ich schweigen

Titel: So will ich schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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zwingen?«, vollendete Babcock seinen Satz, als er erneut ins Stocken geriet. »Das hätte deinen Stolz verletzt.«
    Kincaid nickte und spürte, wie Babcocks treffende Einschätzung ihn erröten ließ. »Ganz genau. Heute kommt es mir unglaublich egoistisch vor.«
    Babcock runzelte die Stirn und sagte: »Aber das ist doch jetzt schon eine ganze Weile her, oder? Ich habe euren jüngeren Sohn kennengelernt, als ich bei deinen Eltern vorbeigeschaut habe.«
    »O nein«, beeilte Kincaid sich zu erklären. »Gemma hat Toby aus ihrer geschiedenen Ehe mitgebracht. Wir … Gemma hat das Kind verloren, im zweiten Drittel der Schwangerschaft. Das war vor einem Jahr.«
    »O Mann.« Babcock sah ihn mitfühlend an, das ramponierte Gesicht in kummervolle Falten gezogen. »Das ist ja furchtbar!«
    Kincaid, der nicht wusste, wie er mit Babcocks Anteilnahme umgehen sollte, fuhr rasch fort: »Seitdem wursteln wir uns einfach so durch und versuchen, alle vier als Familie zusammenzuleben. Und sind dabei eigentlich ganz glücklich«, ergänzte er, da er befürchtete, seine Worte könnten das Gegenteil suggeriert haben. »Es ist nur so, dass … Ich weiß nun mal nicht, ob sie sich anders entschieden hätte, wenn das Kind nicht gewesen wäre.« Kincaid wurde bewusst, dass er sich gerade
zum ersten Mal zu dieser Angst bekannt hatte – nicht einmal sich selbst hatte er sie eingestanden, und er fühlte sich plötzlich so ausgeliefert, als läge er mit entblößter Brust unter dem Messer des Chirurgen.
    »Du könntest sie ja fragen«, schlug Babcock vor, als wäre das die selbstverständlichste Sache der Welt.
    »Um Gottes willen, nein.« Kincaid schüttelte den Kopf. »Damit würde ich sie nur in die Enge treiben, und wenn sie mir die Antwort gäbe, die ich hören wollte, könnte ich mir hinterher nie sicher sein, ob sie wirklich ehrlich zu mir war oder mich nur schonen wollte.« Er dachte an ihre Weigerung, über die Möglichkeit eines neuen Versuchs, schwanger zu werden, auch nur zu reden, und es überlief ihn kalt.
    Er versuchte das Thema zu wechseln und war froh, dass Babcock vorübergehend abgelenkt war, weil er herunterschalten musste, um von der A49 auf eine Nebenstraße abzubiegen. Auf dem Wegweiser stand No Man’s Heath. »Das muss ja ein gottverlassener Ort sein«, bemerkte Kincaid ein bisschen zu prompt.
    »Ja, wie aus einem Shakespeare-Drama«, stimmte Babcock ihm zu. »Aber es gibt da zufällig ein ganz nettes Pub. Deswegen bin ich wohl diese Strecke gefahren. Macht der Gewohnheit.« Nach dieser rätselhaften Bemerkung, die nicht zu Nachfragen ermutigte, verstummte er, und Kincaid blieb nichts übrig, als die Landschaft zu betrachten und darüber nachzugrübeln, warum sein Freund plötzlich so verschlossen war.
    Sie näherten sich der Grenze zu Wales, und er konnte sehen, dass es hier mehr geschneit hatte als bei ihnen. Weiße Flecken zierten noch hier und da die Dächer der isolierten Gehöfte, und als sie durch Malpas kamen, ein hübsches kleines Städtchen mit roten Ziegelbauten oben auf einem Hügel, knirschte der Streusand unter den Reifen des BMW.
    Ein paar Meilen weiter nördlich führte die von Bäumen gesäumte
schmale Straße in Kurven den Berg hinunter in den Weiler Tilston. Obwohl Babcock im Schritttempo durch den Ort fuhr, damit sie die Hausnummern an den Cottages und Bungalows lesen konnten, fuhren sie beim ersten Mal an Roger Constantines Haus vorbei. Die Einmündung der steilen Auffahrt zu seinem Grundstück war aus ihrer Perspektive verdeckt, sodass sie die Hausnummer erst sahen, nachdem sie auf dem winzigen Dorfplatz gewendet hatten und aus der anderen Richtung darauf zufuhren.
    In einem Dorf aus kleinen Einfamilienhäusern und modernen Bungalows thronte das viktorianische Herrenhaus auf einer Anhöhe hoch über der Straße, vor neugierigen Blicken geschützt durch die hohen Bäume und dichten Sträucher eines eingewachsenen Gartens.
    »Donnerwetter«, war Babcocks vielsagender Kommentar, als sie die schmale Kiesauffahrt hinaufrumpelten und auf dem Vorplatz anhielten. »Keine schlechte Adresse für einen Journalisten, was?«
    Kincaid musste ihm beipflichten. Die Farbe der Backsteinfassade war ein weiches Rosa, nicht das grelle Ziegelrot, das man in Cheshire und Nordwales so häufig sah, und die leuchtend weißen Fenster- und Türrahmen sahen aus wie frisch gestrichen. »Vielleicht hat er ein paar Exklusivstorys an die Sun verkauft«, scherzte Kincaid.
    »Meine Exfrau hätte für so was einen Mord begangen«,

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