So will ich schweigen
wartete mit einer Miene mühsam unterdrückter Ungeduld darauf, dass sie ihm verrieten, was sie von ihm wollten.
Mit einem erleichterten Blick auf den sich trollenden Hund begann Babcock: »Mr. Constantine, gehe ich recht in der Annahme, dass Sie früher mit Annie Constantine verheiratet waren?«
Constantine runzelte die Stirn. »Wieso waren? Wir sind immer noch verheiratet.«
Babcock warf Kincaid einen verdutzten Blick zu, ehe er fortfuhr: »Dann leben Sie also von Ihrer Frau getrennt?«
»Ja, sie wohnt auf ihrem Boot. Aber ich wüsste nicht, was es Sie angeht, wie wir unsere Ehe führen. Was läuft hier eigentlich ab?« Seine Stimme verriet jetzt Anspannung, und in seinem verärgerten Ton schwang Angst mit. Constantine war Journalist; zwar hatte Babcock ihm nicht verraten, dass Kincaid von Scotland Yard war, aber dennoch musste ihm klar sein, dass auch hier in der Provinz zwei leitende Polizeibeamte nicht zu irgendwelchen Routineermittlungen ausgeschickt wurden.
»Aber Ihre Frau nennt sich jetzt Lebow?« Babcock benutzte bewusst die Gegenwartsform.
»Manchmal. Es ist ihr Mädchenname. Jetzt sagen Sie endlich, was hier gespielt wird!«
Der Hund, der sie mit dem Kopf auf den Pfoten liegend nicht aus den Augen gelassen hatte, setzte sich auf und winselte.
Babcock rückte auf seinem Stuhl vor, ohne den Blick von Roger Constantines Gesicht zu wenden. »Mr. Constantine, ich muss Ihnen leider mitteilen, dass Ihre Frau heute Morgen tot aufgefunden wurde.«
»Was?« Constantine starrte sie an. Ein Lichtstrahl fiel auf seine verspiegelten Brillengläser, sodass seine Augen einen Moment lang nicht zu sehen waren. »Soll das etwa ein Witz sein? Ich habe doch gestern Abend erst mit ihr gesprochen. Das muss ein Irrtum sein.«
»Nein, Sir. Mr. Cons…«
»Es kann sich nicht um Annie handeln.« Constantine hielt sich mit beiden Händen an der Tischkante fest, als sei ihm plötzlich schwindlig, und Kincaid wurde daran erinnert, dass seiner Erfahrung nach Frauen die Nachricht von einer Tragödie oft schneller akzeptierten als Männer. Es war, als hätten Frauen ein ausgeprägteres Bewusstsein für die Sterblichkeit des Menschen, während Männer dazu neigten, sich selbst und ihre Familienangehörigen für unbesiegbar zu halten.
»Ich habe Ihre Frau gekannt, Mr. Constantine«, sagte Babcock leise. »Ich hatte mehrmals beruflich mit ihr zu tun, als sie noch für das Jugendamt tätig war. Ich habe ihre Leiche selbst identif iziert.«
In der darauffolgenden Stille glaubte Kincaid das schmerzhafte Pochen seines eigenen Herzens zu hören. Dann stand der Hund auf, und das Klicken seiner Krallen auf den Fliesen löste die Spannung ein wenig. Das Tier trottete auf Constantine zu und legte den Kopf auf sein Knie.
Der Mann nahm eine sichtlich zitternde Hand von der Tischkante und vergrub sie im dichten Fell des Hundenackens. »O nein. Mein Gott, was …« Er schluckte und setzte erneut an. »Was ist denn passiert? War sie krank? Hatte sie einen Unfall mit dem Boot?«
Babcocks unauffälliges Nicken überraschte Kincaid, doch
er nahm den Ball auf. Es war eine bewährte Technik: Der eine überbrachte die Nachricht, der andere stellte anschließend die Fragen. »Wie es aussieht, wurde Ihre Frau überfallen, Mr. Constantine. Irgendwann im Lauf des gestrigen Abends. Um wie viel Uhr haben Sie mit ihr gesprochen?«
»Überfallen? Aber warum sollte …«
»Ich weiß, dass das für Sie nicht einfach ist, Mr. Constantine«, sagte Kincaid. »Aber ich muss Sie dennoch bitten, sich einen Moment Zeit für unsere Fragen zu nehmen. Jedes Detail kann für uns wichtig sein.« Er hielt Constantines Blick stand, und nach einer Weile nickte der Journalist und riss sich mit sichtlicher Mühe zusammen.
»Es war … es muss gegen acht gewesen sein. Jazz und ich waren gerade von unserem Spaziergang nach dem Abendessen zurückgekommen. Ich war überrascht, auf dem Display Annies Nummer zu sehen, denn sie hatte erst am Tag zuvor angerufen, um mir frohe Weihnachten zu wünschen. Aber als ich zurückrief, sagte sie, sie wolle sich mit mir zum Essen verabreden – für heute Abend. Ich sollte sie heute Abend treffen.« Constantine schüttelte den Kopf, nahm die Brille ab und rieb sich die geröteten Augen.
»Hat sie Ihnen einen besonderen Grund dafür genannt?«
»Nein. Sie sagte nur, sie wolle mit mir reden.«
Kincaid dachte an die reservierte Frau, die er kennengelernt hatte, und musste unwillkürlich die nahezu spartanische Ordnung auf der Lost
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