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So will ich schweigen

So will ich schweigen

Titel: So will ich schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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überdreht, weißt du. Früher war er nicht so. Oder jedenfalls nicht so schlimm. Und seit Mama ihre Firma hat, ist sie kaum noch da, wenn wir aus der Schule kommen. Glaubst du wirklich, dass meine Mama eine Leiche gefunden hat?«, fragte sie und setzte sich ein wenig aufrechter hin.
    Kit, der noch nicht allzu viel darüber nachgedacht hatte, da seine Eltern schließlich ständig irgendwelche Leichen zu finden schienen, antwortete: »Na, wenn sie’s gesagt hat, wird es wohl so sein.« Es klang jedenfalls nicht wie etwas, was man sich einfach so ausdachte.
    »Was meinst du, wie das wohl war?« Lallys Augen funkelten.
    Sofort schoss Kit der eine Gedanke durch den Kopf, den er nicht ertragen konnte, und er sah das Bild vor sich, so deutlich wie an dem Tag, als es passiert war. Er spürte die aufkommende Übelkeit, und er begann zu schwitzen. Um das Thema zu wechseln, fragte er: »Wo wohnt ihr eigentlich?«
    »In Nantwich, in der Nähe vom Marktplatz.« Lally schien seinen verständnislosen Blick bemerkt zu haben. »Du kennst die Stadt noch gar nicht, oder? Ist stinklangweilig. Aber man kann sich schon irgendwie beschäftigen. Sobald sie uns nach dem Essen gehen lassen, führe ich dich ein bisschen herum.« Die Wohnzimmertür flog mit einem Knall auf. Kit fuhr zusammen und sah Sam hereinschauen.

    »Mama hat eben angerufen. Wir fahren zu uns, alle zusammen in Opas Kombi. Oma sagt, die Hunde müssen wir hier lassen.«
    »Mein Papa mag keine Hunde im Haus«, erklärte Lally und sprang auf. »Komm, wir holen unsere Jacken. Wenn wir uns beeilen, kriegen wir die besten Plätze.«
    Und Kit, der sich nie freiwillig von seinem kleinen Terrier trennte, trottete still hinter ihr her.
     
    Mit acht entdeckte er die Lust an der Grausamkeit. Seine Mutter hatte ihm ein besonderes Vergnügen versprochen: Sie würden sich einen schönen Nachmittag machen, nur er und sie. Zuerst ins Kino, danach Eis essen. Aber in letzter Minute hatte ein Freund angerufen und sie zum Essen eingeladen, und sie hatte nur ein paar Worte der Entschuldigung gemurmelt, hatte ihm einmal übers Haar gestrichen und war verschwunden.
    Zuerst war ihm ganz schlecht vor Wut. Er schrie und trat gegen die Wand in seinem Zimmer, aber die Schmerzen zwangen ihn bald, damit aufzuhören. Er wollte jemandem wehtun, aber nicht sich selbst.
    Und es konnte ihn auch niemand hören. Seine Mutter hatte sicher ihre Nachbarin, Mrs. Buckham, gebeten, nach ihm zu sehen und ihm Abendessen zu geben, aber vorläufig hatte er das Haus für sich. Er richtete sich auf und wischte sich mit dem Ärmel den Rotz von der Nase.
    Langsam schlenderte er zum Zimmer seiner Mutter. Ihr Duft erfüllte noch den Raum, eine Mischung aus Parfüm, Haarspray und noch etwas anderem, undefinierbar Weiblichem. Die Sachen, die sie für den Nachmittag mit ihm angezogen hatte, lagen achtlos hingeworfen auf dem Bett, eingetauscht gegen etwas Schickeres. Sie hatte ihr Puder verschüttet, fächerförmig ausgebreitet lag es auf der Glasplatte ihres Schminktischs wie bleicher, rosiger Sand. Er schrieb ZICKE in den Staub, dann wischte er das Wort wieder aus – schon damals hatte er gewusst, dass man mit Grobheit selten befriedigende Ergebnisse
erzielte. Und er hatte etwas anderes entdeckt. Ihre Perlenkette, ein Geschenk seines Vaters, das sie besonders liebte, war zu Boden geglitten und lag dort als kleiner, glitzernder Haufen. Er hob sie auf, ließ die samtigen Kugeln durch seine Finger gleiten, dann rieb er sie an seiner Wange und verspürte dabei eine ebenso unerwartete wie angenehme körperliche Erregung. Sein Puls ging schneller, als er sich im Zimmer umsah. Bald hatte er genau das entdeckt, was er brauchte – den Hammer, den seine Mutter hatte liegen lassen, nachdem sie einige Bilder aufgehängt hatte.
    Zuerst packte er die Kette mit beiden Händen und zog kräftig daran. Die Schnur riss mit einem lustigen kleinen Knall, und die Perlen ergossen sich in einem chaotischen Schwall über den Teppich. Dann hob er den Hammer und zerschlug sorgfältig und gründlich jede einzelne Perle zu einem Häufchen glitzernden Staubs.
    Im Augenwinkel sah er etwas schimmern – zwei waren ihm entkommen und lagen dicht ans Bein des Schminktischs geschmiegt, als ob sie sich versteckten. Er holte mit dem Hammer aus – und hielt inne. Einem plötzlichen Impuls folgend, hob er die zwei Perlen auf. Kühl und fest lagen sie in seiner Hand. Dann steckte er sie in die Hosentasche. Er würde sie als Andenken behalten. Erst später sollte

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