Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
So will ich schweigen

So will ich schweigen

Titel: So will ich schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
Vom Netzwerk:
war. Und sie hatte auch herausgefunden, dass die Fähigkeit,
das Gesamtbild zu erfassen und verstreute Details zusammenzuführen, sehr zur Lösung eines Falls beitragen konnte.
    Wenn es ihr nun noch gelänge, etwas von diesen Fähigkeiten beim Umgang mit Duncans höchst komplizierter Familiezum Tragen zu bringen, würde sie vielleicht sogar diese Weihnachtsferien heil überstehen. Sie mochte Rosemary, auch wenn sie sie nicht besonders gut kannte. Ihre Telefonate hatten sich meist auf die üblichen Plaudereien beschränkt. Aber Gemma konnte nicht wissen, was sich hinter dem ruhigen Auftreten dieser Frau wirklich verbarg.
    »Was machst du eigentlich für einen Punsch?«, fragte sie, als Rosemary eine Kollektion von Flaschen in einer Kiste verstaute, um sie leichter zum Auto tragen zu können.
    »Er nennt sich ›Cardinal’s Hat‹. Nur was für ganz festliche Anlässe – und absolut tödlich, wenn man’s zu sehr übertreibt.« Sie tippte nacheinander die Flaschen an. »Rotwein. Cognac. Weißer Rum. Roter Wermut. Cranberrysaft. Rosenwasser.« Sie nahm eine weitere Flasche aus dem Kühlschrank und schwenkte sie wie eine Trophäe. »Champagner. Und …« – wieder griff sie in den Kühlschrank und holte eine Plastiktüte hervor – »Rosenblätter zum Draufstreuen. Hab ich bei meiner Freundin abgestaubt, die den Blumenladen am Marktplatz hat.«
    Gemma konnte sich nicht erinnern, dass ihre Eltern jemals Champagner getrunken hätten. Von Fotos wusste sie, dass ihre Hochzeit eine sehr nüchterne Angelegenheit gewesen war, ganz in der strengen nonkonformistischen Tradition – mehr als Tee und Kuchen hatte es da nicht gegeben. Und wenn bei Familientreffen Alkohol auf den Tisch kam, dann höchstens in Form von Bier oder einem Gläschen Portwein. »Klingt sehr exklusiv – und das alles nur für uns«, meinte sie und betrachtete skeptisch ihre legere Freizeithose und ihren schlichten Pulli. Der Punsch hörte sich an, als verlange er mindestens ein Abendkleid aus Samt.

    »Für Juliets Geschmack ist es tatsächlich ein bisschen übertrieben«, antwortete Rosemary, während sie die Tüte mit den Rosenblättern vorsichtig auf die Flaschen legte. »Aber Caspar liebt das ganze Brimborium.«
    Gemmas Neugier ließ sie ihre Zurückhaltung vergessen. »Vorhin hast du dich aber nicht so angehört, als ob du sehr viel Wert auf Caspars Meinung legst.«
    »O je.« Rosemary blickte mit schuldbewusster Miene zu ihr auf. »Wirklich? Vor den Kindern?«
    Gemma nickte. »Vielleicht habe ich es ja falsch interpretiert …«
    »Nein.« Rosemary seufzte. »Obwohl ich mir immer Mühe gebe, das Thema zu vermeiden. Es ist sehr unfair gegenüber Lally und Sam. Er ist nun mal ihr Vater, und die letzten ein, zwei Jahre waren schon schwierig genug für sie, auch ohne mein Zutun.«
    »Hm …« Gemma zögerte; sie war sich nicht sicher, wo die Grenze zwischen höflicher Anteilnahme und Neugier lag. Im Dienst hätte sie solche Skrupel niemals gehabt. Sie umschiffte die Klippe, indem sie bemerkte: »Ich habe gehört, dass Juliet sich letztes Jahr beruflich verändert hat.«
    »Das ist eine ziemlich verharmlosende Umschreibung«, meinte Rosemary, indem sie die Kiste aus dem Weg räumte und sich gegenüber von Gemma an den großen, sauber gewischten Tisch setzte. »Juliet war in Caspars Firma von Anfang an das Mädchen für alles, seit er sich mit seinem Partner vor ein paar Jahren selbstständig gemacht hat. Ihr offizieller Titel war ›Büroleiterin‹, aber sie war für alles zuständig – vom Telefondienst über die Terminverwaltung bis hin zur Buchhaltung. Und Caspar hat ihr lediglich den Mindestlohn dafür gezahlt. Er sagte, sie profitiere schließlich vom Geschäftserfolg der Firma, und sie anständig zu bezahlen wäre daher ungefähr so, als stopfe man ein Loch und reiße ein anderes dabei auf. Das entsprach
vielleicht sogar teilweise der Wahrheit, aber für Juliets Selbstbewusstsein war es natürlich Gift.
    Anfangs war sie noch ganz zufrieden mit der Situation, weil sie durch die flexiblen Arbeitszeiten immer für die Kinder da sein konnte, aber dann konnte ich beobachten, wie es sie allmählich zermürbte. Es war klar, dass es nur noch eine Frage der Zeit war, bis sie den Kram hinschmeißen und sich etwas anderes suchen würde.«
    »Aber sich als Bauunternehmerin selbstständig zu machen, und das ohne jegliche Erfahrung? War das nicht ein bisschen …?«
    »Riskant? Unrealistisch?« Rosemarys Lächeln, das so sehr an das ihres Sohnes erinnerte,

Weitere Kostenlose Bücher