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So will ich schweigen

So will ich schweigen

Titel: So will ich schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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er lernen, dass man so etwas ein Souvenir nannte.
    Die Befriedigung, die er nach diesem Akt der Zerstörung empfand, war anders als alles, was er bisher gekannt hatte, doch das war erst der Anfang. Zitternd vor Furcht und Erregung wartete er darauf, dass seine Tat entdeckt würde. Seine Mutter kam nach Hause und ging nach oben, doch der Wutausbruch blieb aus. Stattdessen schloss sie sich mit der Erklärung, sie habe Kopfschmerzen, in ihrem Zimmer ein. Erst am nächsten Morgen, als er ihr am Frühstückstisch gegenübersaß, sah er die Angst in ihren Augen.

6
    »Ich bin zu groß, um auf dem Schoß mitzufahren.« Toby wand sich und rutschte halb von Gemmas Knie herunter, doch sie schlang rasch den Arm um seinen Bauch und zog ihn energisch zurück.
    »Tja, da musst du jetzt leider durch«, sagte sie und nutzte die Gelegenheit, um mit der Nase in seinen seidigen Haaren zu wühlen – ein Vergnügen, zu dem sie in letzter Zeit kaum noch gekommen war. »Und denkst du vielleicht auch mal an mein armes Knie, das so einen großen, schweren Jungen aushalten muss? Hörst du, wie es sich beschwert?« Sie ließ ihn auf und ab wippen, bis er sich glucksend an ihre Brust sinken ließ.
    »Knie können gar nicht reden, Mami«, stellte Toby entschieden fest.
    »Meine schon«, kam Rosemarys Stimme vom Beifahrersitz. »Besonders, wenn ich den ganzen Tag im Garten gearbeitet habe.«
    In Hugh Kincaids altem Vauxhall Kombi konnte man normalerweise bequem sieben Personen unterbringen, aber die dritte Sitzbank war fast ganz mit Bücherkartons belegt. Hugh hatte sie so weit zur Seite geschoben, dass Kit gerade noch hineinpasste, während Sam, Lally, Toby und Gemma sich, so gut es ging, auf die mittlere Bank zwängen mussten.
    Es hatte wieder zu schneien begonnen, und trotz der vielen Menschenleiber war es kalt im Auto. »Wartet nur, gleich wird’s schön warm«, meinte Hugh optimistisch, während er die Lüftung aufdrehte. In dem kalten Luftstrom fror Gemma
noch mehr als zuvor, und sie drückte Toby an sich, bis er zappelte wie ein Fisch an der Angel.
    Für Gemma, die durch die fremde Umgebung und die beschränkte Sicht von ihrem Platz ohnehin schon desorientiert war, reduzierte sich die Fahrt in die Stadt auf einen Strom wirbelnder weißer Flocken, hier und da unterbrochen durch den gelblichen Schein einer Straßenlaterne oder ein Stück nass glänzenden schwarzen Asphalts. Wenn sie nicht selbst fahren konnte, hatte sie immer das unangenehme Gefühl, die Lage nicht unter Kontrolle zu haben – und ein bisschen schlecht war ihr auch schon.
    Als sie unter einem dunklen Brückenbogen hindurchfuhren, sagte Sam: »Seht mal, das ist der Aquädukt. Der Kanal geht hier über die Straße.«
    »Soll das heißen, die Boote fahren über uns weg?«, fragte Kit. Er klang fasziniert.
    »Dürfen wir uns das anschauen?«, meldete sich Toby zu Wort.
    »Heute nicht mehr«, sagte Rosemary. »Aber vielleicht morgen, falls es ein bisschen aufklart.«
    Links und rechts der Straße tauchten jetzt immer mehr Häuser aus dem Schneegestöber auf, und Sam setzte seine Erläuterungen fort. »Das ist die Welsh Row. Über die sind die Waliser immer einmarschiert, um die Engländer zu töten. Und hier in der Nähe sind auch die Salzwerke, wo schon die Römer Salz gewonnen haben. Das wich in Nantwich bedeutet nämlich ›Salz‹.«
    »Seit wann machst du denn hier den Reiseleiter, Sam?«, stichelte Lally. »Ich glaube nicht, dass das irgendwen hier im Auto so brennend interessiert.« Lally und Kit hatten sich angeregt unterhalten, als sie das Haus verlassen hatten, und Gemma fragte sich, ob Lally vielleicht sauer war, weil sie neben ihrem Bruder sitzen musste anstatt neben ihrem neuen Freund. Jedenfalls
registrierte Gemma mit Erleichterung, dass Kit seine Schüchternheit im Umgang mit seiner neuen Cousine offenbar abzulegen begann.
    Toby legte den Kopf in den Nacken, bis er Gemma ins Ohr flüstern konnte: »Wer sind denn die Waliser, Mami? Töten die immer noch Engländer?«
    Gemma unterdrückte ein Lachen. »Die Waliser sind ganz liebe Leute, die in Wales wohnen, Schätzchen. Und sie töten ganz bestimmt keine Engländer. Du brauchst also keine Angst zu haben.« Um Sam zu ermutigen, der sich in verletztes Schweigen gehüllt hatte, spähte sie aus dem Fenster und betrachtete interessiert die klassizistischen Fassaden. »Komisch, nach allem, was ich von Duncan gehört habe, dachte ich, Nantwich sei im Tudorstil erbaut, aber die Häuser dort sehen eher georgianisch

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