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So will ich schweigen

So will ich schweigen

Titel: So will ich schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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aus«, hatte sie ihm entgegengeschleudert, und er hatte seither reichlich Gelegenheit gehabt herauszufinden, wie recht sie hatte. Er verdrängte die Erinnerung und suchte nach einer Ablenkung.
    Kit lieferte sie ihm: »Sieh mal, da ist ein Boot!«
    Sie waren schon fast in Barbridge, und es lag wohl nur an der stillen Jahreszeit, dass sie bis jetzt noch keine Boote an den Liegeplätzen gesehen hatten, vermutete Kincaid. »Und sogar ein besonders schönes«, meinte er bewundernd, als sie näher kamen. Der Rumpf glänzte in dunklem Saphirblau, abgesetzt mit himmelblauen Streifen. Die Ruderpinne war in den gleichen Farben gestreift, und alles an dem Boot, bis hin zur Messingeinfassung des Schornsteins, war blitzsauber und zeugte von liebevoller Pflege. Der Name prangte in gestochen scharfen weißen Buchstaben am Bug: Lost Horizon . Rauch quoll in einem steten Strom aus dem Schornstein, und er hörte das leise Summen des Generators. Offenbar war jemand an Bord.
    Als sie auf Höhe des Boots waren, ging die Bugtür auf, und eine Frau trat auf das Deck hinaus. Sie war groß gewachsen, und auch die dick gefütterte Jacke konnte ihre schlanke Gestalt nicht verbergen. Ihr kurzes blondes Haar glänzte in der Sonne. Als sie die beiden erblickte, nickte sie ihnen zu, und Kincaid wurde plötzlich bewusst, dass er sie kannte.

    Gestern Abend in der Kirche war sie ihm wie eine Außenseiterin erschienen, die sich von der Welt abschirmte und nur aus sich herausging, wenn sie sang. Hier aber strahlte jede ihrer Bewegungen Sicherheit und Selbstbewusstsein aus. Hier sah er sie in ihrem Element.

10
    Juliets Hand hatte den Zündschlüssel scheinbar von selbst umgedreht, ihr Fuß hatte das Kupplungspedal gefunden, und dann war sie auch schon losgefahren. Instinktiv hatte sie den Weg eingeschlagen, den sie am besten kannte – die A529 Richtung Nantwich.
    Die sanft gewellte Wiesenlandschaft der Cheshire Plain war an ihr vorbeigezogen. Dunkle Stoppeln kamen jetzt unter der Schneedecke zum Vorschein. An jedem Kreisverkehr hatte sie gezögert, hatte sich gesagt, dass sie umkehren müsse, doch ihr Körper schien nicht gewillt, den Anweisungen ihres Gehirns Folge zu leisten.
    Plötzlich merkte sie, dass sie schon den südlichen Stadtrand von Nantwich erreicht hatte. Rasch lenkte sie den Wagen in eine Seitenstraße, hielt am Bordstein an und nahm die zitternden Hände vom Lenkrad.
    Was war nur in sie gefahren, dass sie sich aus dem Haus von Caspars Eltern davongestohlen hatte? Sie musste zurückfahren, musste sich irgendeine Ausrede zurechtlegen, aber was könnte sie sagen? Keine Entschuldigung würde Caspars kalte Wut besänftigen können: Sie hatte ihn vor seinen Eltern blamiert, und das war unverzeihlich. Und was würde sie den Kindern sagen? Etwa, dass es der Tonfall gewesen war, in dem ihre Schwiegermutter gesagt hatte: »Juliet, Liebes, könntest du noch eben rasch die Sauciere spülen!«?
    Rita Newcombe hatte sich von ihrem hypermodernen Herd abgewandt, um Juliet ein sprödes Lächeln zu schenken
und mit dem Kopf auf die Soßenschüssel zu deuten, die auf der Arbeitsplatte stand. Als ob Juliet zu beschränkt wäre, um zu wissen, was eine Sauciere war. Juliet wusste aus Erfahrung, wie sehr Rita es hasste, ihre manikürten Nägel dem Spülwasser auszusetzen, und sie würde zweifellos auch eine gute Ausrede finden, um ihre Schwiegertochter nach dem Essen mit dem Spülbecken voll schmutzigem Geschirr allein lassen zu können.
    Juliet hatte sich mit zusammengekniffenen Lippen gefügt, doch falls Rita den Unwillen in ihrer Miene bemerkt hatte, war sie elegant darüber hinweggegangen. Es gab gefüllten Gänsebraten, hatte Rita sie wissen lassen – ein Rezept, das sie in einer Gourmetzeitschrift entdeckt hatte. Juliet konnte sich nicht vorstellen, dass die Kinder mehr als ein paar Bissen davon hinunterbringen würden. Rita wäre nie auf die Idee gekommen, dass den Kindern vielleicht eine schlichte gebratene Pute lieber gewesen wäre. Und wenn man sie darauf hingewiesen hätte, wäre die Antwort wohl gewesen, dass die Kinder ruhig ein wenig feinere Lebensart kennenlernen könnten – was heißen sollte, dass Juliet als Hausfrau und Mutter versagt hatte.
    Und jetzt schämte Juliet sich in Grund und Boden, wenn sie daran dachte, wie sie nach ihrer Hochzeit mit Caspar ihre Eltern mit seinen verglichen und sich gewünscht hatte, Hugh und Rosemary hätten ein bisschen mehr Schliff, ein bisschen mehr Sinn für die edleren Dinge im Leben und ein bisschen

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