So will ich schweigen
Weihnachtsessens sitzen.
»Nein.« Rosemary hielt ihren Teebecher so fest umklammert, dass ihre Knöchel sich weiß färbten. »Aber ich hätte auch nie geglaubt, dass Caspar solche Dinge sagen könnte, wie ich sie gestern aus seinem Mund gehört habe. Wenn ich mir überlege, dass ich ihn einmal ganz charmant gefunden habe … Er war immer so ernst. Ich kann nicht genau sagen, wann aus dieser Ernsthaftigkeit pure Selbstgefälligkeit geworden ist.«
Was Gemma am Abend zuvor von Caspar Newcombe gesehen hatte, war mehr als nur selbstgefällig gewesen – es war boshaft und gemein. Sie musste wieder an den hysterischen Unterton in Lallys Stimme denken und fragte vorsichtig: »Rosemary, du denkst doch nicht, dass Caspar den Kindern etwas
antun könnte? Lally schien sich große Sorgen zu machen, wie ihr Vater reagieren würde, wenn er auch nur erfahren würde, dass sie dich angerufen hatte.«
»Lally neigt in letzter Zeit ein bisschen zum Dramatisieren – ist wohl auch verständlich, denke ich.« Rosemary sah zu Gemma auf, und ihre Augen, die so sehr an ihren Sohn erinnerten, blickten schuldbewusst. »Deswegen dachte ich anfangs, dass sie vielleicht übertreibt, um sich interessant zu machen. Aber jetzt … Es ist nämlich so – als ich mit Caspar geredet habe, konnte ich hören, dass er getrunken hatte. Die Vorstellung, dass er jetzt mit den Kindern allein ist, gefällt mir ganz und gar nicht – und wenn Caspar getrunken hat, kann man davon ausgehen, dass sein Vater es auch getan hat. Ich mag gar nicht daran denken, dass Ralph auf die Idee kommen könnte, sie nach Hause zu fahren …« Sie stand auf und trug ihren Becher zur Spüle, um dann mit einem Geschirrtuch über die ohnehin schon blitzsaubere Arbeitsfläche zu wischen. Mit dem Rücken zu Gemma sagte sie: »Und Juliet … Caspar war so wütend, aber zugleich auch eiskalt, als ob er alles in sich aufgestaut hatte.«
Gemma warf einen Blick auf Toby, der immer noch friedlich schlief, trotz des rhythmischen Krachens der zersplitternden Holzscheite hinter dem Haus, und sie kam zu einem Entschluss. »Wie weit ist es bis … Wie hieß noch mal die Stadt? Audlem?«
»Von Nantwich aus eine halbe Stunde. Von hier braucht man ein bisschen länger.«
»Dann würde ich vorschlagen, dass Hugh und du die Kinder einfach abholt. Bringt sie hierher. Ihr könnt Juliet eine Nachricht hinterlassen und ihr erklären, was ihr getan habt, und ich bleibe hier, falls sie anruft. Caspar wird euch die Kinder doch wohl herausgeben?«
Rosemary runzelte die Stirn. »Ich denke schon, ja. Er wird
vor seinen Eltern keine Szene machen, schon gar nicht nach allem, was passiert ist. Aber wenn Juliet zurückkommt und Caspar allein antrifft, ohne die Kinder …«
»Hat er Juliet jemals geschlagen?«, fragte Gemma behutsam und versuchte, sich ihre eigene Angst nicht anmerken zu lassen.
»Ich glaube nicht. Aber ich hatte auch angenommen, dass sie sich nur ein bisschen auseinandergelebt hätten, dass ihre Beziehung im Moment ein wenig belastet sei, nachdem Juliet im Büro aufgehört hat und die Kinder größer sind.«
»Dieser Partner – glaubst du, dass an Caspars Vorwürfen irgendwas dran ist? Könnte Juliet eine Affäre mit ihm haben?« Gemma hatte den Mann nach der Mitternachtsmesse kurz begrüßt. Er hatte neben Caspar gestanden und die Art von Charme versprüht, die augenblicklich Gemmas Argwohn weckte. Sie konnte sich schwerlich vorstellen, dass eine so geradlinige Frau wie Juliet Newcombe auf so fragwürdige Qualitäten hereinfallen würde.
»Ich weiß es nicht«, erwiderte Rosemary, und ihre Stimme klang bitter. »Ich bin mir gar nicht mehr sicher, ob ich meine Tochter überhaupt noch kenne.«
Rosemary hatte sich bald davon überzeugen lassen, dass es das Beste wäre, wenn sie Sam und Lally von Caspars Eltern abholten, doch nachdem sie das Gespräch mit ihrem Schwiegersohn beendet hatte, fiel Gemma auf, wie die Hände der älteren Frau zitterten.
»Er war abscheulich«, sagte sie, »aber er hatte nichts dagegen. Im Gegenteil, er schien es nicht erwarten zu können, sie endlich los zu sein.«
»Hat er immer noch nichts von Juliet gehört?«, fragte Gemma.
»Nein. Ich kann mir nicht vorstellen …«
»Lass nur.« Spontan nahm Gemma sie in den Arm. »Ich bin
sicher, dass es ihr gutgeht. Wahrscheinlich brauchte sie nur ein bisschen Zeit für sich allein.«
Den Kopf an Gemmas Schulter, nickte Rosemary und sagte: »Danke. Ich bin froh, dass ihr gekommen seid.« Dann löste sie
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