So will ich schweigen
sich aus der Umarmung und begann zügig ihre Sachen zusammenzuraffen. Hugh kam von draußen herein, und nachdem seine Frau ihm erklärt hatte, was sie vorhatten, nickte er nur und war schon bereit.
Jack, der Border Collie, hob den Kopf, als er die Aufbruchsstimmung spürte, und begann heftig wedelnd zwischen Frauchen und Herrchen hin und her zu springen. »Nein, Jack«, sagte Hugh. »Du bleibst hier und bewachst das Haus.«
Mit seinem strengen Ton weckte er Toby, der sich aufsetzte, desorientiert und reizbar nach seinem ungeplanten Nickerchen. Er rieb sich die Augen und begann zu weinen. Gemma hob ihn sogleich hoch, trug ihn zum Tisch und nahm ihn auf den Schoß, während sie Rosemary und Hugh zum Aufbruch drängte. Sekunden später fiel die Haustür ins Schloss, und plötzlich war es ganz still im Haus, bis auf Tobys Greinen.
»Ich wollte gar nicht schlafen«, jammerte er. »Jetzt sind alle weg.«
»Du hast auch gar nicht geschlafen«, versicherte Gemma ihm und streichelte sein Haar, das vom Liegen am warmen Ofen verschwitzt war. »Du hast nur geübt, die Augen zuzumachen.« Sie drückte ihn an sich, doch er zappelte und wollte sich nicht beruhigen lassen. »Na los, mach die Augen zu«, flüsterte sie ihm ins Ohr. »Versuch’s einfach.«
Toby machte ein paar Mal die Augen zu und wieder auf und vergaß dabei ganz das Schluchzen.
»Siehst du, wie gut du das kannst?«, meinte Gemma. »Das kommt vom Üben.«
Er kicherte. »Das ist doch albern, Mami.«
»Nein, du bist albern. Und außerdem sind gar nicht alle
weg. Ich bin schließlich noch da, oder? Und das heißt, dass wir etwas ganz Besonderes machen können, nur wir zwei.«
Toby rutschte von ihrem Schoß. Die Tränen waren vergessen. »Können wir mein Puzzle machen?« Obwohl er noch zu klein war, um Harry Potter zu lesen, war er doch anfällig für das Produktmarketing und hellauf begeistert von dem Harry-Potter-Puzzle, das Kit ihm geschenkt hatte.
»Hm, na gut«, willigte Gemma ein. Sie beschloss, sich vorerst keine Gedanken darum zu machen, dass sie das halb fertige Puzzle wieder auseinandernehmen müssten, sobald irgendwer den Küchentisch brauchte. »Na klar, warum nicht?«
Toby flitzte sofort los, und einen Moment darauf hörte sie ihn schon die Treppe hinaufpoltern. Die Hunde, die es sich wieder auf ihrem warmen Lager vor dem Ofen bequem gemacht hatten, hoben bei dem Lärm die Köpfe. Während Jack und Tess sich gleich wieder hinlegten, kam Geordie zu Gemma getappt und legte den Kopf auf ihr Knie. Als sie ihn streichelte, wurde ihr bewusst, dass sie in diesem Moment zum ersten Mal seit ihrer Ankunft ganz allein war. Es war ein etwas sonderbares Gefühl, das Haus von Duncans Eltern quasi für sich zu haben. Sie kam sich ein bisschen vor wie ein Eindringling, war aber froh, ein wenig Zeit für sich zu haben.
Lange konnte sie die Ruhe allerdings nicht genießen. Sie hatte gerade mit Toby das Puzzle auf dem Küchentisch ausgepackt, da läutete es an der Tür. In ihrer Zeit als Streifenpolizistin hatte sie so oft Angehörige von Opfern benachrichtigen müssen, dass sie bei unangemeldeten Besuchen grundsätzlich ein ungutes Gefühl hatte. Diesmal aber erschrak sie noch heftiger als sonst.
Es könnte Juliet sein, sagte sie sich. Vielleicht hatte sie ja keinen Schlüssel. Nachdem sie Toby versichert hatte, dass sie gleich wieder da wäre, machte sie die Küchentür hinter sich zu, damit die kläffenden Hunde ihr nicht folgen konnten, und
ging zur Haustür. Eine Mischung aus Hoffnung und düsteren Vorahnungen ließ ihr Herz schneller schlagen.
Doch der Mann, der vor ihr stand, als sie die Tür öffnete, war ein Fremder. Ihr erster Gedanke war, dass sein etwas zerknautschtes Gesicht so gar nicht zu seinem modisch geschnittenen blonden Haar und seinem teuer aussehenden schwarzen Wollmantel zu passen schien; der zweite, dass er auf eine leicht verwegene Art attraktiv war.
Der Fremde beäugte sie nicht minder interessiert, als er sagte: »Ich wollte zu Duncan Kincaid. Bin ich da richtig?« Sein Akzent war von den lang gezogenen Vokalen des Nordwestens geprägt, viel stärker als bei Duncan, der nur eine ganz leichte Dialektfärbung behalten hatte.
»Ja, aber er ist zurzeit nicht hier.« Sie blickte zum Himmel auf und sah, dass es schon später war, als sie gedacht hatte. Sie rang sich ein Lächeln ab und fuhr fort: »Er dürfte aber jeden Moment zurück sein – wenn Sie vielleicht warten möchten.«
Der Besucher schaute ebenfalls nach oben, als wollte er
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