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So will ich schweigen

So will ich schweigen

Titel: So will ich schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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schon die Vogelhäuschen mit Futter bestückt und Nüsse für die Eichhörnchen auf den alten Baumstumpf gelegt. Bea würde den ganzen Vormittag die Vögel beobachten und dazu Radio hören. Mittags würde sie sich ihr Fertiggericht aufwärmen, und um Punkt eins würde sie den Fernseher einschalten, der schon auf BBC 1 eingestellt war.
    Die Komplexität des menschlichen Gehirns faszinierte Althea immer wieder aufs Neue. Wie war es zum Beispiel möglich, dass ihre Schwester, die sich nicht einmal selbst um ihr Mittagessen kümmern konnte, in der Lage war, sich jede Figur der Endlos-Radioserie The Archers zu merken, oder in allen Einzelheiten zu schildern, wer in den diversen Nachmittags-Talkshows im Fernsehen aufgetreten war?
    Gegen vier würde ihr Nachbar Paul Doyle auf eine Tasse Tee bei Bea vorbeischauen, und vielleicht auch auf ein einfaches Kartenspiel um Pennys. Nichts machte Bea glücklicher, als einen Stapel glänzender Kupfermünzen einheimsen zu können, und Althea vermutete, dass Paul sie nagelneu von der Bank besorgte, auch wenn er das nie zugeben mochte.
    In letzter Zeit kam es immer häufiger vor, dass sie sich nach der Arbeit ganz besonders beeilte, nach Hause zu kommen,
um Paul noch anzutreffen und mit ihm ein halbes Stündchen am Kamin sitzen und etwas trinken zu können. Sie und Bea kannten ihn und seine inzwischen verstorbene Frau schon seit Jahren, aber erst nach seiner Pensionierung – er war Lehrer an einer örtlichen Schule gewesen – hatte er begonnen, sie regelmäßig zu besuchen.
    Althea sagte sich, dass es nur natürlich sei, ein wenig Gesellschaft zu suchen. Mit ihren Kollegen hatte sie nie über ihr Privatleben gesprochen, und sie hatte es auch weiterhin nicht vor. Wenn sie etwas nicht ertragen konnte, dann war es Mitleid. Und es wäre auch nicht gerechtfertigt gewesen – sie brauchte Bea ebenso sehr, wie Bea sie brauchte. Doch ihre Reserviertheit machte es nicht einfach, Freundschaften zu pflegen.
    Sie rief ihren Hund, der sogleich von seiner Decke neben dem Herd aufstand und sich streckte, bis die Gelenke knackten. Gerade hatte sie das Radio eingeschaltet, da klingelte es an der Tür. Der Hund ließ ein tiefes Wuff hören und trottete mit klickenden Krallen über den Fliesenboden zur Tür.
    Althea runzelte die Stirn. Besucher verirrten sich kaum zu dem abgelegenen Cottage, und auch Paul schaute nur selten morgens vorbei. Sie tätschelte ihrer Schwester die Schulter und sagte: »Bin gleich wieder da, mein Herz.«
    »Du gehst doch nicht weg, ohne mir Bescheid zu sagen?«
    »Nein. Ich versprech’s dir.« Althea folgte dem Hund in die Diele und schob seinen Kopf zur Seite, um die Tür einen Spalt breit öffnen zu können. Verblüfft starrte sie in das Gesicht der Frau, die auf der Türschwelle stand. Es dauerte ein paar Sekunden, bis sie es einordnen konnte – es war älter und hagerer als damals, als sie es zuletzt gesehen hatte -, doch der Name fiel ihr in dem Moment wieder ein, als die Frau sagte: »Dr. Elsworthy? Erinnern Sie sich an mich? Annie Le…« Sie hielt inne und schien sich zu korrigieren. »Annie Constantine. Tut mir leid, dass ich Sie zu Hause störe.«

    Nicht so leid, als dass es Sie daran gehindert hätte , dachte Althea, doch ihre Neugier war geweckt. Sie hatte des Öfteren beruflich mit Constantine zu tun gehabt, wenn das Jugendamt in die Untersuchung eines Todesfalles involviert gewesen war, hatte sie aber schon einige Jahre nicht mehr gesehen. Sie spürte den warmen Atem des Hundes an ihrer Hüfte und bemerkte die ängstlichen Blicke, die ihre Besucherin in seine Richtung warf. »Das ist nur Dan, er ist völlig harmlos«, sagte sie, während sie die Tür weiter aufzog, damit der Hund in den Garten laufen konnte.
    »Dan?«, fragte Annie Constantine und hielt die Arme steif an den Körper, als der Hund sich an ihr vorbeischob, um einem Eichhörnchen hinterherzujagen.
    Althea lächelte still in sich hinein. Der Hund war eine Kreuzung von Irischem Wolfshund und Mastiff, und jeder nahm an, dass er einen Namen wie Brutus oder Cäsar haben müsse. Sie hatte ihn Danny Boy genannt und sang ihm die gleichnamige Schnulze vor, wenn sie allein mit ihm im Auto war, aber sie hatte nicht die Absicht, irgendjemanden in ihren kleinen privaten Scherz einzuweihen. Und sie würde die Frau auch nicht hereinbitten. Ein einziger fremder Besucher genügte, um Bea für mehrere Tage aus der Fassung zu bringen.
    »Was kann ich für Sie tun, Mrs. Constantine?«, fragte sie, indem sie vor die

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