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So will ich schweigen

So will ich schweigen

Titel: So will ich schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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Gemma mochte und das Gefühl hatte, mit ihr auf einer Wellenlänge zu sein, machte es irgendwie noch schlimmer.
    Sie konnte sich nicht vorstellen, dass ihre Eltern sich je so angeschaut hatten. Bei dem Gedanken überkam sie ein namenloser Ekel, und ihr Magen krampfte sich zusammen.
    Duncan hatte sich zu ihrem Opa und Kit gesetzt, um ihnen bei Tobys Harry-Potter-Puzzle zu helfen, während Toby mit Sam auf dem Boden mit den Star-Wars-Figuren spielte und sie mit nervigen Kleine-Jungen-Soundeffekten herumschwirren ließ. Nachdem er sich nun offenbar bei Gemma rückversichert hatte, stand er auf, schnappte sich Toby und verkündete: »Ab ins Bad mit dir, Kumpel.« Als Toby protestierte, kitzelte Duncan ihn an den Rippen und machte knurrende Geräusche, bis der kleine Junge vor Lachen quietschte und sich, immer noch kichernd, hinaustragen ließ.
    Hatte ihr Vater jemals so mit ihr oder Sam gespielt? Wenn sie darüber nachdachte, konnte Lally sich nicht erinnern, dass ihr Vater überhaupt je mit ihnen gespielt hatte. Die Aufmerksamkeit, die er ihnen in letzter Zeit widmete, war etwas ganz Neues; das ging erst so, seit er so wütend auf ihre Mutter war. Lally wusste das, und dennoch – wenn er so lieb zu ihr war, wollte sie, dass es immer so blieb. Und auch das widerte sie an.
    Gemma stand auf, um Duncan und Toby zu folgen, und berührte Lally im Vorbeigehen ganz leicht an der Schulter, aber Lally brachte es nicht fertig, ihr in die Augen zu sehen. Jetzt saßen
nur noch ihre Mutter und ihre Oma drüben beim Herd. Sie steckten die Köpfe zusammen und unterhielten sich in diesem gedämpften Ton, der bedeutete, dass sie nicht wollten, dass die Kinder mithörten. Ihre Oma redete mit den Händen, wie sie es immer tat, wenn sie einen von etwas überzeugen wollte, und ihre Mama sah verängstigt und zugleich trotzig aus, als ob Rosemary ihr etwas sagte, was sie nicht hören wollte. Aber da war noch etwas anderes, ein bestimmter Ausdruck im Gesicht ihrer Mutter … Es dauerte eine Weile, bis Lally erkannte, was es war: eine Art triumphierende Erregung.
    Wieder packten sie Krämpfe, heftiger als zuvor, und das Putensandwich, von dem sie zum Abendbrot ein paar Bissen gegessen hatte, drohte ihr hochzukommen. Sie schluckte krampfhaft, um die Übelkeit niederzukämpfen, und biss sich auf die Unterlippe. Wie konnte ihre Mutter anders als verängstigt sein, wenn ihr Vater so tobte? Warum war sie auch mitten während des Weihnachtsessens davongelaufen, wo sie doch genau wusste, wie er reagieren würde?
    Als Lally und Sam bei ihren Großeltern angekommen waren, hatte ihre Mutter schon auf sie gewartet und ihnen irgendeine Geschichte aufgetischt, wonach sie angeblich nur heimgefahren war, um etwas zu holen, und später Probleme mit dem Wagen gehabt hatte. Lally, die selbst reichlich Erfahrung im Lügen hatte, war ihr nicht eine Sekunde lang auf den Leim gegangen.
    Wenn das stimmte, wieso hatte sie dann nicht gesagt, was sie vorhatte, oder wenigstens angerufen? Und wieso waren sie jetzt hier und nicht zu Hause? Zu Hause, wo ihr Vater warten würde – nein, auch daran durfte sie gar nicht erst denken. Aber sie hatte Leo gesagt, dass sie zu Hause sein würde, und es war keine gute Idee, Leo zu enttäuschen.
    Sicher, von ihren Großeltern war es nicht so weit zu Leo wie von Nantwich, aber das brachte rein gar nichts, solange sie
hier unter den wachsamen Blicken ihrer Mutter und ihrer Oma festsaß. Die Chance, sich heimlich davonzuschleichen, war gleich null – jedenfalls, solange sie es allein versuchte.
    Sie blickte nachdenklich zu Kit hinüber, der immer noch am Ende des Tisches bei ihrem Großvater saß. Sam, der sich zu ihnen gesellt hatte, hopste ungeduldig von einem Fuß auf den anderen und zeigte mit dem Finger auf eine Lücke, in die seiner Meinung nach das Puzzleteil passte, das Kit in der Hand hielt. Doch Kit ignorierte ihn und passte das Stück ganz bedächtig an einer anderen Stelle ein. Dann hob er den Kopf, fing ihren Blick auf, errötete und sah gleich wieder weg.
    Die Zurückweisung traf Lally wie ein Faustschlag. Das zögerliche Lächeln gefror ihr auf den Lippen, und sie schämte sich der Tränen, die plötzlich in ihren Augen brannten. Sie sprang von ihrem Hocker und flüchtete sich in das angenehm stille und leere Treppenhaus. Das Gemurmel riss schlagartig ab, als die Tür hinter ihr ins Schloss fiel. Die Luft war kalt und schien sich wie ein schweres Gewicht auf ihre erhitzten Wangen zu legen.
    Der plötzliche

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