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So will ich schweigen

So will ich schweigen

Titel: So will ich schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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und Rosemary – ich meine
Oma. Sie sagten, ihr würdet heute Nacht hier bleiben, und ich dachte …«
    »Hier?« Lally starrte ihn verständnislos an. »Sam und ich?«
    »Und deine Mutter.« Er verschwieg bewusst, dass Rosemary sich Sorgen zu machen schien, weil sie fürchtete, Lallys Vater könne ihrer Mutter etwas antun.
    Lally schien die Bedeutung dessen, was er ihr gesagt hatte, nicht zu erfassen. »Aber ich will nicht hier bleiben«, sagte sie störrisch. »Ich will nach Hause. Und ich habe versprochen …«
    »Was hast du versprochen?«, hakte Kit nach, als sie nicht weiterredete.
    Sie schüttelte den Kopf und griff nach der Türklinke, als sei sie zu einem Entschluss gelangt. »Ich gehe jetzt. Und zwar zu Leo, falls es dich interessiert. Du kannst ja mitkommen, wenn du willst.«
    »Mein Vater würde mich umbringen«, sagte Kit. Ebenso gut hätte er sich das Wort »Schlappschwanz« auf die Stirn tätowieren können.
    »Na und? Ich hab ständig Stress mit meinem Alten«, schleuderte sie ihm entgegen, als sei dies eine besondere Auszeichnung.
    In Gedanken war er plötzlich wieder bei dem nachmittäglichen Spaziergang mit seinem Vater und der Unterhaltung mit der Frau auf dem Boot – Annie. Er würde ihr niemals erklären können, dass er nicht verlieren wollte, was er dabei empfunden hatte.
    Von oben waberten Geräusche durchs Treppenhaus, das tiefe, brummende Organ seines Vaters, Gemmas hellere Stimme, ein Lachen. Offenbar war Toby im Bad fertig. Sie würden jeden Moment wieder herunterkommen, mit Toby, der im Schlafanzug noch ein Weilchen aufbleiben durfte.
    Lally hatte sie auch gehört. »Na los, komm schon!«, zischte sie.

    »Moment.« Jetzt wagte er es endlich, sie zu berühren, und seine Finger fanden den dicken Fleecestoff ihres Jackenärmels. Er konnte nicht mit ihr gehen, andererseits würde er in ihren Augen jede Glaubwürdigkeit einbüßen, wenn er es nicht täte. »Geh heute nicht mehr weg«, sagte er im verzweifelten Bemühen, die Entscheidung aufzuschieben. »Warte bis morgen. Dann komme ich mit.«
    Lally zögerte. Mit einem Mal schien all ihre Energie aufgebraucht. Sie wirkte plötzlich jünger als ihre vierzehn Jahre und längst nicht mehr so mutig. Der Blick, den sie ihm zuwarf, war flehentlich. »Versprochen?«
    »Versprochen«, sagte Kit, und er fragte sich, welchen Ärger er sich da wohl gerade eingehandelt hatte.

13
    »Ich habe dir ein Fertiggericht vor die Mikrowelle gestellt«, sagte Althea Elsworthy zu ihrer Schwester Bea. Es war kurz vor acht, und seit sie sich erinnern konnte, sagte sie exakt diesen Satz jeden Morgen um exakt die gleiche Uhrzeit. Es war ein unverzichtbarer Bestandteil ihres Rituals, und jede Abweichung würde Bea so verstören, dass Althea sie erst mühsam beruhigen müsste, ehe sie zur Arbeit im Krankenhaus aufbrechen konnte.
    »Mein Mittagessen«, sagte Bea. »Sind es Käsemakkaroni?«, setzte sie in quengeligem Ton hinzu und zog die breite Stirn in Falten.
    »Ja, und ich habe dir auch einen Apfel hingelegt«, antwortete Althea lächelnd. Es waren immer Käsemakkaroni, doch Bea musste immer nachfragen. Abends versuchte Althea den Speiseplan ihrer Schwester ein wenig zu variieren, wenngleich auch das viel Überredung kostete, und sie war schon vor langer Zeit zu dem Schluss gekommen, dass das immer gleiche Mittagessen ein geringer Preis dafür war, dass sie ihre Schwester weiterhin tagsüber allein lassen konnte.
    Beatrice Elsworthy war seit ihrem neunten Lebensjahr hirngeschädigt. Sie hatte bei dem Autounfall, der ihren Vater das Leben gekostet hatte, ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten. Er hatte getrunken, und er hatte gegen den Willen ihrer Mutter darauf bestanden, am Sonntagnachmittag mit den beiden Mädchen zum Eisessen zu fahren. Am ersten Kreisverkehr hatte er die Vorfahrt missachtet und war mit einem Lastwagen
kollidiert. Althea hatte an diesem Tag zufällig hinten sitzen müssen und war mit einem gebrochenen Arm und einem ausgeschlagenen Schneidezahn davongekommen.
    Der Tod ihres Vaters war nicht Strafe genug gewesen, um den Zorn ihrer Mutter zu besänftigen. Die restlichen Jahre von Altheas Kindheit hatte sie damit verbracht, ihre schwer verletzte jüngere Tochter zu pflegen und ihren Groll zu nähren. Im gleichen Jahr, in dem Althea ihr Medizinstudium abgeschlossen hatte, war sie ihrem Krebsleiden erlegen, und seitdem pflegte Althea ihre Schwester.
    Jetzt setzte sie Bea in ihren Lieblingssessel mit Blick auf den Garten ihres Häuschens. Vorher hatte sie

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