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So wirst du stinkreich im boomenden Asien: Roman (German Edition)

So wirst du stinkreich im boomenden Asien: Roman (German Edition)

Titel: So wirst du stinkreich im boomenden Asien: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mohsin Hamid
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gewinnen, und in der Furcht davor, was passiert, wenn ihm das nicht gelingt.
    Seine Frau, die Mutter des hübschen Mädchens, leidet an schwerer und vorzeitiger Arthritis, ein Leiden, das sie zwingt, als Straßenfegerin zu arbeiten, die einzige Arbeit, die sie finden konnte, als die Umstände sie relativ spät im Leben in die Erwerbsarbeit zwangen, eine Übung in unerträglichen Schmerzen. Sie spricht nicht mehr mit ihrem Mann, kaum mit dem hübschen Mädchen außer gelegentlich mit einem Geschrei, das auf der ganzen Straße zu hören ist, und bei ihrer Arbeit stellt sie sich stumm. Hingegen spricht sie zum Göttlichen, bittet um Erlösung von ihren Qualen, und da sie dies in der Öffentlichkeit tut, scheinbar mit sich selbst brabbelt, während sie sich dahinschleppt, hält man sie für verrückt.
    Es überrascht daher nicht, dass das hübsche Mädchen die Flucht von der Familie plant. Ihr Lohn im Schönheitssalon ist weit höher als das, was ihre Mutter verdient, und sie überlässt alles widerspruchslos ihren Eltern. Doch der Salon bedient auch die Bedürfnisse einiger weniger bekannter Modefotografen, daher ist sie deren Welt ausgesetzt und wurde auch schon zu einigen Low-Budget-Fotosessions mitgenommen, um beim Frisieren und Schminken zu assistieren. So wird sie zur Geliebten eines Marketingmanagers, der für eine Shampoo-Linie verantwortlich ist. Er sagt, er sehe bei ihr das Potenzial zum Modeln, verspricht, es ihr zu ermöglichen, und gibt ihr bis dahin Geschenke und Geld. Dieses Geld spart das hübsche Mädchen an, ohne es ihren Eltern oder auch dem Marketingmanager zu sagen, und sie glaubt, es stehe für ihre Unabhängigkeit.
    Als Gegenleistung verlangt der Marketingmanager körperliche Gefälligkeiten. Anfangs waren dies Küsse und die Erlaubnis, ihren Körper zu streicheln. Dann wurde Oralsex gefordert. Dem folgte Analsex, der ihr, wie sie sehr zu seiner Überraschung und Freude annahm, gestatten werde, sich ihre Jungfräulichkeit zu bewahren. Doch im Lauf der Monate bekam sie Zweifel an dieser Logik, und so ließ sie schließlich auch vaginalen Verkehr zu.
    Was der Marketingmanager in dem hübschen Mädchen einst an Erregung und Wärme weckte, ist inzwischen längst verflogen. Ihr Ziel ist es, genügend Mittel anzusparen, um sich die Miete eines eigenen Zimmers leisten zu können, ein Ziel, das nun schon fast erreicht ist. Auch hegt sie gewisse Hoffnungen, dass der Marketingmanager sein Versprechen einlöst, ihr Gesicht in eine Anzeige zu setzen und sie anderen vorzustellen, die ihre Karriere weiter fördern könnten. Aber sie ist nicht dumm und sie hat auch schon einige der Fotografen kennengelernt, die die Dienste ihres Salons in Anspruch nehmen, und von denen hat schon mehr als einer sie in unzweideutigen Worten ihres Potenzials versichert.
    Dem hübschen Mädchen ist klar, dass sie bedeutsame kulturelle Grenzen und Klassenschranken überschreiten muss, um auch nur in die unteren Gefilde der Modewelt zu gelangen. Daher auch ihr anfängliches Interesse an Filmen und an dir. Aber jenseits von deren Bildungswert hat sie auch entdeckt, dass ihr Filme sogar gefallen und, noch überraschender, dass sie sich gern mit dir unterhält. In dir hat sie einen Freund gefunden, einen Menschen, der ihr das Leben in dem Viertel, das sie hasst, erträglicher macht.
    Dabei erkennt sie aber auch deine Gefühle für sie. Sie sieht, wie du sie ansiehst, wenn ihr einander in der Gasse begegnet. Ihre Gefühle für dich sind, sagt sie sich, doch recht anders. Sie denkt mit Wärme und Zuneigung an dich, wie an einen kleinen Bruder, nur dass du natürlich im selben Alter bist und überhaupt nicht ihr Bruder. Und du hast wirklich schöne Augen.
    Ja, sie weiß, dass da etwas ist. Sie ist bei den Gesprächen mit dir glücklich, glücklicher als sonst. Sie schätzt die Konturen deines Körpers und wie du auftrittst. Sie amüsiert sich über deine Art. Sie ist von deinem nicht zu übersehenden Einsatz gerührt. Du bist die Tür zu einer Existenz, die sie nicht anstrebt, aber selbst wenn der Raum dahinter abstoßend ist, hat diese Tür doch einen Anteil ihrer Zuneigung errungen.
    Bevor sie also das Viertel endgültig verlässt, ruft sie dich an. Das ist an sich keineswegs ungewöhnlich. Was sie sagt, dagegen schon.
    »Komm her.«
    »Wohin?«
    »Zu mir aufs Dach.«
    »Jetzt?«
    »Jetzt.«
    »Wo ist das?«
    »Das weißt du doch.«
    Du leugnest es gar nicht erst. Du bist ja viele, viele Male an ihrem Haus vorbeigegangen. Jeder Junge in

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