So wirst du stinkreich im boomenden Asien: Roman (German Edition)
seinen Juniorboten, dich. Für die zweite, die jenseits davon liegenden Stadtteile, hat er seinen Seniorboten, einen Mann, der auf seinem Motorrad durch die Stadt saust. Der Lohn dieses Mannes ist doppelt so hoch wie deiner und sein Trinkgeld um ein Vielfaches höher, denn obwohl deine Arbeit anstrengender ist, wird ein Mann auf einem Motorrad sogleich als höherwertig angesehen als ein Junge auf einem Fahrrad. Das ist möglicherweise unfair, aber wenigstens brauchst du keinem brutal zernarbten und gefährlich unversöhnlichen Geldverleiher Monatsraten für dein Gefährt zu bezahlen.
Deine Schicht dauert sechs Stunden, abends von sieben bis eins, wobei kurze Perioden starker Tätigkeit mit längeren Flauten durchsetzt sind, und deswegen hast du Schnelligkeit wie auch Ausdauer entwickelt. Auch bist du einer breiten Vielfalt von Menschen ausgesetzt, darunter Frauen in den Häusern der Reichen, die nichts dabei finden, dir allein die Tür zu öffnen, das heißt, allein, wenn man die wachsamen Sicherheitsleute, Fahrer und anderes im Freien beschäftigtes Personal einmal nicht mitzählt, und dir dann auch Fragen zu stellen, häufig zur Bild- und Tonqualität, manchmal aber auch, ob ein Film gut oder schlecht ist. Daher kennst du die Namen von Schauspielern und Regisseuren aus der ganzen Welt und weißt, welcher Film mit welchem vergleichbar wäre, sogar bei Schauspielern, Regisseuren und Filmen, die du selbst gar nicht gesehen hast, da du in deiner Schicht immer nur so viel Leerzeit hast, dass du dir lediglich das ansehen kannst, was gerade im Laden läuft.
Auf diesem Markt arbeitet auch das hübsche Mädchen. Ihr Vater, ein notorischer Säufer und Spieler, der sich tagsüber nur selten blicken lässt, schickt seine Frau und seine Tochter los, um das zu verdienen, was er in der Nacht davor verloren hat oder in der kommenden verlieren wird. Das hübsche Mädchen ist Gehilfin in einem Schönheitssalon, wo sie Handtücher herumträgt, Chemikalien verarbeitet, Tee bringt, Haare auffegt und Frauen jeden Alters Kopf, Rücken, Hintern, Schenkel und Füße massiert, Frauen, die entweder reich sind oder als reich erscheinen möchten. Auch versorgt sie die Männer, die im Wagen auf ihre Frau oder Geliebte warten, mit Erfrischungsgetränken.
Ihre Schicht endet um die Zeit, wenn du anfängst, und da ihr in angrenzenden Straßen wohnt, begegnet ihr euch häufig auf dem Weg zur und von der Arbeit. Manchmal seht ihr euch auch nicht, dann schiebst du dein Fahrrad an dem Salon vorbei, um einen kurzen Blick auf sie zu werfen. Sie wiederum scheint fasziniert von dem Videoladen, und mit besonderem Interesse betrachtet sie die stets wechselnden Plakate und DVD-Hüllen. Dich dagegen nicht, aber wenn eure Blicke sich begegnen, schaut sie nicht weg.
Gelegentlich kommt es vor, dass du ihr auf dem Weg zur Arbeit nicht begegnest und sie auch nicht siehst, wenn du am Fenster des Salons vorbeigehst. Dann fragst du dich, wo sie wohl stecken könnte. Vielleicht hat sie einen turnusmäßig freien Tag zusätzlich zu dem, an dem der Salon geschlossen ist. Von solchen Vereinbarungen hört man ja immer wieder.
An einem Winterabend, es ist schon dunkel, kommt ihr euch in der unbeleuchteten Gasse, die mitten durch die Fabriken geht, entgegen, und da spricht sie dich an.
»Kennst du dich bei Filmen richtig gut aus?«, fragt sie.
Du steigst vom Fahrrad. »Ich weiß alles über Filme.«
Sie geht nicht langsamer. »Kannst du mir den besten besorgen? Den beliebtesten?«
»Klar.« Du machst kehrt, um mit ihr Schritt zu halten. »Hast du einen Player, auf dem du ihn dir ansehen kannst?«
»Bald. Und lauf mir nicht nach.«
Du bleibst wie am Rand eines Abgrunds stehen.
In jener Nacht wird aus deinem Laden lautlos ein Video gestohlen. Am folgenden Tag hast du es unter deinem Kittel, doch von ihr ist nichts zu sehen, weder auf dem Weg zur Arbeit noch in ihrem Salon. Am Tag danach siehst du sie, sie hat ihr Tuch in trotziger Beachtung der anerkannten Normen eures Viertels halbherzig über den Kopf gelegt, wie immer, wenn sie auf der Straße unterwegs ist. Sie geht schwerfällig, beladen mit einer großen Plastiktüte, die den Karton eines Fernsehers mit integriertem DVD-Player enthält.
»Wo hast du das denn her?«, fragst du.
»Ist ein Geschenk. Mein Film?«
»Hier.«
»Steck ihn in die Tüte.«
Du tust es. »Das sieht schwer aus. Kann ich helfen?«
»Nein. Du bist sowieso wie ich. Dünn.«
»Ich bin kräftig.«
»Ich hab nicht gesagt, dass wir nicht
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