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So wirst du stinkreich im boomenden Asien: Roman (German Edition)

So wirst du stinkreich im boomenden Asien: Roman (German Edition)

Titel: So wirst du stinkreich im boomenden Asien: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mohsin Hamid
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kräftig sind.«
    Sie geht weiter, ohne noch etwas zu sagen, nicht einmal danke. Den weiteren Abend bist du in Aufruhr. Ja, du hast zweimal mit dem hübschen Mädchen gesprochen. Aber sie hat dir kein Zeichen gegeben, dass sie noch einmal mit dir zu sprechen gedenkt. Außerdem wütet die Kräftig/dünn-Debatte noch einige Zeit in deinem Kopf, also haben ihre Kommentare dich schwer getroffen.
    Auf die Frage, warum dein Körperbau nicht annähernd so ist wie seiner auf den Fotos aus seiner besten Wettkampfzeit, gibt der Ex-Bodybuilder und jetzige Auftragskiller deiner Ernährung die Schuld. Du bekommst nicht genügend Proteine.
    »Außerdem bist du jung«, sagt er. An den Türrahmen gelehnt zieht er an einem Joint, während ein kleines Mädchen sein Bein umklammert. »Du wirst dein Maximum erst in ein paar Jahren erreichen. Aber mach dir keine Gedanken. Du bist zäh. Nicht bloß da.« Er tippt auf deinen Bizeps, den du verstohlen unter deinem Kittel anspannst. »Sondern auch da.« Er tippt dir zwischen die Augen. »Deshalb legen sich die anderen Jungen auch meistens nicht mit dir an.«
    »Nicht, weil sie wissen, dass ich Sie kenne?«
    Er zwinkert. »Das auch.«
    Es stimmt, dass du dir bei den Straßenraufereien, die zwischen den Jungen deines Viertels ausbrechen, einen wilden Ruf erworben hast. Doch das Proteinthema wurmt dich. Es sind für deine Familie relativ gute Zeiten. Da seit der Rückkehr deiner Schwester ins Dorf ein Maul weniger zu füttern ist und es drei Verdiener gibt, seit du neben deinem Vater und deinem Bruder auch eine Stelle hast, ist das Pro-Kopf-Einkommen eures Haushalts auf einem Allzeithoch.
    Dennoch, Protein ist sündhaft teuer. Huhn kommt bei dir nur ganz selten auf den Tisch, und rotes Fleisch ist ein Luxus, dem einzig bei großen Feiern wie Hochzeiten gefrönt wird, und darauf sparen Gastgeber viele Jahre lang. Linsen und Spinat gehören bei dir natürlich zur Grundernährung, aber pflanzliches Protein ist nicht dasselbe wie tierisches. Nach Begleichung von Schulden und Gaben an die bedürftige erweiterte Verwandtschaft kann sich deine nächste Familie nur ein Dutzend Eier die Woche leisten, das heißt, je vier für deine Mutter, deinen Bruder und dich, dazu einen halben Liter Milch pro Tag, wovon dein Anteil ein halbes Glas beträgt.
    Seit einigen Monaten ist dein einziger Luxus, weswegen du zwar tiefe Schuldgefühle hast, an dem du aber auch unbedingt festhältst, der tägliche Erwerb eines Viertelliters Milch. Das verbraucht zehn Prozent deines Lohns, genau die Menge der Lohnerhöhung, die du bekommst, aber versäumt hast, deinem Vater mitzuteilen. Pro Woche entspricht deine Milchsucht auch ungefähr dem Preis, den die Kunden deines Arbeitgebers für die Lieferung einer DVD-Raubkopie zu bezahlen bereit sind, ein Umstand, der dich abwechselnd wegen seiner Absurdität ärgert und besänftigt, indem er deinen Diebstahl bei der Familie zur Geringfügigkeit relativiert. Schließlich ist die tägliche Summe, um die es hier geht, lediglich das daumenbreite Stück einer Plastikscheibe wert.
    Als du am nächsten Abend gerade wieder über deine komplizierte Proteinsituation nachdenkst, erblickst du das hübsche Mädchen. Diesmal bleibt sie in der Gasse stehen, zieht die DVD hervor, die du ihr gegeben hast, und stößt sie dir wortlos an die Brust.
    »Hat sie dir nicht gefallen?«
    »Doch.«
    »Kannst sie behalten. Ist ein Geschenk.«
    Ihr Gesicht wird hart. »Ich will von dir kein Geschenk.«
    »Tut mir leid.«
    »Hast du ein Telefon?«
    »Ja.«
    »Gib’s mir.«
    »Also, weißt du, es ist von der Arbeit …«
    Sie lacht. Es ist das erste Mal, dass du das bei ihr siehst. Es macht sie jünger. Aber da sie ja jung ist und normalerweise für ihr Alter reifer wirkt, entspricht sie dadurch ihrem Alter.
    Sie sagt: »Keine Sorge. Ich nehm’s schon nicht mit.«
    Du reichst ihr das Telefon. Sie wählt eine Nummer, worauf ein einzelnes Klingeln aus ihrer Tasche dringt, dann beendet sie den Anruf.
    Sie sagt: »Jetzt hab ich deine Nummer.«
    »Und ich deine.« Du versuchst, ebenso cool wie sie zu klingen. Es ist dir unklar, ob es dir gelungen ist, aber da ist sie ohnehin schon wieder weg.
    Wegen der Art deiner Arbeit und der Notwendigkeit, dich auf deinen Botenrunden jederzeit erreichen zu können, hat dein Arbeitgeber dich mit einem Telefon ausgestattet. Es ist ein klappriges Ding aus dritter Hand, aber dennoch ein Quell beträchtlichen Stolzes. Die Bezahlung eigener Gespräche obliegt dir selbst, daher hast

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