So wirst du stinkreich im boomenden Asien: Roman (German Edition)
mit dem Logo einer globalen Limonadenmarke verziert ist, schlürfst Tee und steckst die Finger in eine Schale mit Kichererbsen. Du bist vielen der Männer um dich herum bekannt, und sie grüßen nickend, aber niemand winkt dich heran zu einem der Gespräche, die hier stattfinden. Egal. Du bist mit deinen Gedanken bei dem Tagwerk, das vor dir liegt, und während du kaust und schluckst, bemerkst du kaum die zu deinen Füßen angebundene Ziege mit der kecken, peroxyd-gebleichten Stirnlocke oder den kampferprobten, zehenlangen Käfer, der zu einem verheißungsvollen Katzenkadaver unterwegs ist.
Du hast die Kontakte mit Einzelhändlern, die du in deinen Jahren als Vertreter für abgelaufene Waren mit nicht abgelaufenem Verfallsdatum geknüpft hast, genutzt, um ins Geschäft mit Tafelwasser einzusteigen. Die vernachlässigten Rohre deiner Stadt brechen, die Inhalte des unterirdischen Wassernetzes und der Abwasserkanäle vermischen sich, weswegen die Wasserhähne in reichen wie armen Gegenden eine Flüssigkeit abgeben, die zwar weitgehend klar und geruchlos ist, aber zuverlässig Spuren von Fäkalien und Mikroorganismen enthält, die geeignet sind, Durchfall, Hepatitis, Ruhr und Typhus hervorzurufen. Die weniger Begüterten unter den Einwohnern härten ihr Immunsystem ab, indem sie reichlich davon trinken, dabei aber manchmal Verluste hinnehmen müssen, besonders unter den Jungen und Schwachen. Die Begüterteren sind zu Tafelwasser gewechselt, was du und deine beiden Angestellten sehr gern bereitstellen.
Dein Wohnzimmer ist in eine Werkstatt samt Lager umgewandelt. Dort befinden sich, der Reihe nach, ein Rohr, das das Leitungswasser liefert, eine verbotene Hilfspumpe, die den stockenden Außendruck steigern soll, ein blauer Vorratstank von der Größe eines jungen Flusspferds, ein Metallhahn, ein Kochtopf mit Deckel, ein mit einer Gasflasche betriebener Brenner, um das Wasser aufzukochen, was in der Regel fünf Minuten lang geschieht, ein Trichter mit einem Baumwollsieb, das sichtbare Unreinheiten auffangen soll, ein Stapel gebrauchter, aber gut erhaltener Mineralwasserflaschen, die du dir bei Restaurants holst, und schließlich noch zwei einfache Maschinen, die manipulationssichere Verschlüsse und eine durchsichtige Sicherheitshülle auf dein betrügerisches Produkt aufbringen.
Du beugst dich gerade über deinen Techniker, der ein Experiment durchführt.
»Das stinkt«, sagst du.
Er zuckt die Achseln. »Das ist der Brennstoff.«
»Davon riecht unser Wasser wie der feuchte Furz eines Motorrads.«
Er dreht die Flamme kleiner. »Jetzt?«
»Zu viel Ruß. Mach’s aus.«
Du betrachtest den tragbaren Petroleumherd, den er geliehen hat, mattes Messing und unten rund wie eine Artilleriegranate. Eine Erdgasknappheit hat deine Firma mal wieder lahmgelegt. Petroleum wäre, hätte es funktioniert, eine erschwingliche Notlösung gewesen. Doch es hat nicht funktioniert. Also überlegst du dir andere Möglichkeiten, während du mit der Schnur um deinen Hals spielst, den Schlüssel zu deinem Schlafzimmer befingerst, wo du Kundenliste und Register, einen bescheidenen Haufen Bargeld sowie einen nicht registrierten Revolver mit vier Patronen in der Trommel hast.
Dein Techniker kratzt sich nachdenklich unterm Arm. »Vielleicht lassen wir das Kochen heute mal ausfallen«, meint er.
»Nein. Kochen wir nicht, verkaufen wir auch nicht.« Du weißt, dass es auf die Qualität ankommt, besonders bei Fälschungen. Die Läden würden nicht mehr kaufen, wenn ihre Kunden krank werden.
Dein Techniker zieht deine Entscheidung nicht in Zweifel. Er ist von Haus aus Fahrradmechaniker und daher in den Feinheiten des Gewerbes nicht geschult, weswegen er für dich arbeitet, aber auch, weil er als Vater eines Trios kleiner Mädchen und als jüngster Sohn eines freischaffenden Maurers, der erfroren ist, weil er in zu vorgerücktem Alter im Freien geschlafen hat, ein regelmäßiges Einkommen schätzt.
Sollte dein Techniker, was untypisch wäre, dich drängen, deine Entscheidung zu überdenken, würdest du wahrscheinlich verstummen und so lange warten, bis die Stille ihm peinlich wird und er zu dir hersieht. Dann würdest du ihm fest und unverwandt in die Augen schauen, bis er den Blick Richtung Fußboden senkt und die Krümmung seines Rückgrats verstärkt, Gesten, die bei Menschengruppen wie auch Hunderudeln die Unterwürfigkeit eines Säugers unter einen anderen signalisieren. Zum Glück aber würdest du wahrscheinlich nicht seinen After beriechen
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