So wirst du stinkreich im boomenden Asien: Roman (German Edition)
oder seine Genitalien begutachten.
Dein Laufbursche kommt mit der guten Nachricht, dass ein nahegelegenes Depot am Spätnachmittag für eine Stunde Gasflaschen nachfüllt, auch bringt er den Duft von Essen mit, frittierte Brotrollen, die ihre Verpackung aus Zeitungspapier durchsichtig schwitzen. Ihr drei esst kameradschaftlich zusammen, schwatzt dabei wie Geschwister, was ihr in gewisser Weise ja auch seid, da die beiden Mitglieder deines Clans sind, entfernte Verwandte, durch Blut vereint, daher durchaus wie Geschwister, nur dass diese Geschwister natürlich, wenn du ihnen sagst, sie sollen schnell fertig essen, gehorchen müssen.
Nach der Mahlzeit eilst du zu dem Depot, um dich in die Schlange zu stellen. Dein Gefährt ist ein kleiner Pick-up, der älter ist als du und bei dem die Seitenwände der Ladefläche in einem komplizierten, rostigen Filigran durchlöchert sind, dessen lärmender Zweitaktmotor aber generalüberholt und zuverlässig ist. Du stehst gerade an einer Kreuzung, als dein Handy klingelt. Als du siehst, wer es ist, fährst du rechts ran, stellst den Motor ab und nimmst den Anruf an.
»Hast du Zeit zum Abendessen?«, fragt das hübsche Mädchen.
Ihre Stimme verändert deine räumliche Wahrnehmung, macht deine unmittelbare Umgebung weniger greifbar.
»Ja«, sagst du.
»Willst du denn gar nicht wissen, wann?«
»Oh. Wann?«
»Heute Abend.«
Du lächelst, hörst sie lächeln. »Hab ich mir gedacht.«
»Ich bin in der Stadt. Komm doch in mein Hotel.«
Am Abend gehst du zum Frisör, entscheidest dich für einen Igelschnitt, der, wie der Frisör behauptet, momentan total in sei und einem so fitten Mann wie dir garantiert schmeichle. In einem Geschäft, vor der eindrucksvolle Wagen geparkt sind, erwirbst du eine enge Jeans zu einem stolzen Preis sowie eine Nylonjacke mit den Worten »Man Meat« auf dem Rücken. Zu Hause findest du die Jeans zu kurz und rast zurück, um sie gegen eine längere zu tauschen, doch die Verkäuferin sieht dich nur an und weigert sich, ohne ihren Chat auf dem Ladencomputer zu unterbrechen, weil du das Preisschildchen entfernt hast.
Du beschließt, sie in jedem Fall zu tragen. Du löst den obersten, unterm Gürtel verborgenen Knopf und ziehst sie auf den Hüften tiefer. Sie drückt eine kleine Fleischrolle heraus, einen Minibauch, und du fragst dich, ob es falsch war, sie zu kaufen. Auslagen in Höhe zweier Wocheneinkommen für zwei Kleidungsstücke findest du jetzt doch verflucht unausgewogen. Aber es wird schon spät, daher musst du zu deinem Rendezvous eilen.
Das Hotel ist das exklusivste der Stadt, sein alter Flügel vorübergehend geschlossen und eingerüstet, da eine massive Autobombe Fenster zerschmettert und im Innern Brände ausgelöst hat, der neue Flügel aber, der weiter von der Straße weg steht, ist schon frisch gestrichen und wiedereröffnet.
Angesichts der Bedeutung des Hotels als Treffpunkt von Politikern, Diplomaten und Geschäftsleuten wie auch als Außenposten einer führenden internationalen Kette, einer Brücke mit einem hohen, leuchtend blauen Neonschild für die Außenwelt, wurde nach dem Anschlag beschlossen, die Stadt wegzudrängen, das Hotel mehr zu einer Insel zu machen, soweit das in einer dicht besiedelten Metropole wie dieser denn möglich ist. Daher wurden auf allen Seiten zwei zuvor für den Straßenverkehr vorgesehene Spuren mit Beschlag belegt. Die äußere der beiden ist mit Betonpollern gesäumt und hüfthoch mit fahrzeughemmenden Stahlbarrieren ähnlich scharfkantigen Astragalen aus dem Spielzimmer eines Riesenkindes gefüllt, wodurch sie eine Mischung aus trockenem Burggraben und befestigtem Strand bildet, der eine Panzerinvasion aufhalten soll. Die innere Spur hingegen weist Tore auf, Bremsschwellen, am Boden installierte, nach oben blickende Überwachungskameras und mit Sandsäcken verstärkte, petunienfarbene Geschützstände aus Holz.
Um diese Zitadelle herum brodelt der gestaute, langsame Verkehr. Radfahrer, Motorradfahrer und Lenker von Fahrzeugen mit drei und vier Rädern schieben sich voran, mal anstoßend, mal hupend, mal das Fenster herunterkurbelnd und fluchend. Immer wieder wird aus dem langsamen Vorankommen ein völliger Stillstand, wenn für ein hohes Tier eine Schneise geschlagen wird, dann sind Blicke der Resignation, Frustration und nicht selten Wut zu sehen. Aus diesem verknäuelten Haufen möchtest du dich beim Heranfahren an den ersten Kontrollpunkt lösen und einbiegen.
Der Wachmann blickt auf dein Gefährt
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