So wirst du stinkreich im boomenden Asien: Roman (German Edition)
Kellnern zusieht, wie sie sich abmühen, eine massige, aus Eis gehauene Orchidee umzustellen, siehst auch du Männern beim Schuften zu, denn du stehst auf der Baustelle deiner Wasserbohranlage, neben dir dein Schwager. Trotz der bescheidenen Größe deines Projekts hat er an deine Angestellten Schutzhelme ausgeben lassen, eine Innovation, die du schätzt, weil sie alldem einen Anschein von Professionalität verleiht. Deine Kopfhaut schwitzt unter diesem zweiten Schädel aus Plastik, die Sonne brennt gnadenlos herab, und Schweißrinnsale stechen dir in die Augen und streicheln salzig deine Mundwinkel.
Unter deinen Füßen ist der immer weiter sinkende Aquifer, angestochen von Abertausenden gierig schlürfender, maschinenbetriebener Stahlhalme. Deine Anlage ist nicht die größte ihrer Art, aber sie schimmert heller als die meisten anderen, sie ist blitzblank, makellos und neu. Doch wie du da stehst, jedenfalls ist das dein Eindruck, streift dich für einen Augenblick der Hauch von etwas ganz Unerklärlichem, eine sengende Brise, die das blutartige Aroma von Rost an deine Nase weht.
Heute wird deine Gattin mit ihrer Frauengruppe zweifellos einschreiten, um wieder einer geschlagenen Ehefrau oder geschiedenen Obdachlosen oder enterbten Witwe zu helfen, Aktionen, die alle nur das Gute wollen und nichts mit dir zu tun haben, aber dennoch einen gewissen Tadel implizieren. Du schließt die Augen, kurz von einer seltsamen Trauer erfasst, vielleicht wegen der Verzögerungen dieses Projekts oder wegen des Zustands deiner Ehe oder weil du deinem Sohn so spät ein Vater geworden bist, weil es aller Wahrscheinlichkeit nach dein Schicksal ist, dass deine Lebensspanne sich allzu begrenzt mit der seinen überlappt. Doch diese Stimmung vergeht rasch. Du fasst dich wieder, spuckst ein Klümpchen zähen Auswurf in den Staub und machst weiter, ermahnst deinen Schweißertrupp, sich ins Zeug zu legen.
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FÖRDERE DIE KRIEGSKÜNSTLER
Wir alle sind pure Information, ob Leser oder Autor, du oder ich. Die DNA in unseren Zellen, die bioelektrischen Ströme in unseren Nerven, die chemischen Emotionen in unserem Gehirn, die Konfigurationen der Atome in uns und der subatomaren Partikel wiederum in ihnen, die Galaxien und wirbelnden Konstellationen, die wir nicht nur wahrnehmen, wenn wir nach außen, sondern auch, wenn wir nach innen sehen, das alles ist, jedes letzte Byte und bisschen, Information.
Ob all diese Informationen sich nun zu begreifen suchen, ob dies das ultimative Ziel ist, zu dem unser Universum tendiert, wissen wir natürlich nicht mit Sicherheit, wenngleich die Tatsache, dass wir Menschen uns entwickelt haben, wir Formen von Information, die eines stetig wachsenden Verstehens von Informationen fähig sind, nahelegt, dass es so ist.
Genau wissen wir aber, dass Information Macht ist. Und so ist Information ins Zentrum des Krieges gerückt, jenes nacktesten aller Mittel, mit denen nach Macht gestrebt wird. Im modernen Gefecht nimmt der Kampfpilot, der mit doppelter Schallgeschwindigkeit hoch über der Erde dahinrast, mit jedem Auge unterschiedliche Informationsströme auf, mit dem einen beispielsweise Radarreflexionen und Wärmesignaturen, mit dem anderen das Schimmern von Sonnenstrahlen auf Metall in großer Entfernung, eine Leistung, die jahrelanges Training des Verstands und der Sinnesorgane erfordert, eine minutiöse menschliche Neuverdrahtung oder ein Upgrade, wenn man so will, während der General auf dem Boden sieht, wie seine und disparate andere zeitgenössische Erzählungen simultan ablaufen, ja ganz so wie der Aktienhändler eines Schwellenlands und auch der Benutzer einer schnellen Fernbedienung für seinen Fernseher und der Öffner von Mehrfach-Computerfenstern, wir alle lernen, diese Informationen zu verbinden, Muster darin zu finden, zwangsläufig nach uns selbst darin zu suchen, aus den Gegenwartsgeschichten zahlreicher anderer die Lebensgeschichte eines plausiblen einheitlichen Selbst zusammenzufügen.
Vielleicht tut niemand dies mit beharrlicherer Hingabe oder kuratorischerer Besessenheit als diejenigen an der Spitze von Organisationen, die mit der nationalen Sicherheit betraut sind. Diese Kriegskünstler sind selbst dann noch aktiv, wenn ihre Gesellschaft offiziell im Frieden lebt, denn das Machtstreben ist unerbittlich, und in Ermangelung offener Feindseligkeiten kann man sie dabei antreffen, wie sie entweder nach stets vorhandenen inneren Feinden fahnden oder sich sonst jene Beute aufteilen, die stets in
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