So wirst du stinkreich im boomenden Asien: Roman (German Edition)

praktischer Nähe derjenigen liegt, die zu rücksichtslosem Gemetzel fähig sind, da sich Raubgut heutzutage häufig in Kaufverträge und Aktienkursbewegungen hüllt. Die Beteiligung an solchen Unternehmungen kommt der Einladung gleich, in dem großen gepanzerten, störfunkenden, abgereichertes Uran feuernden Kampfhubschrauber zum Reichtum zu fliegen, und daher ist es nur natürlich, dass du im Augenblick gerade erwägst, an Bord zu steigen.
    Aus der Sicht der nationalen Sicherheitsapparate der Welt existierst du an mehreren Orten. Du erscheinst in Gebäude- und Wohnungsregistern, in Einkommenssteuerdaten, auf Pass- und Ausweisdatenbanken. Du tauchst auf Passagierlisten und in Telefondateien auf. Du summst auf elektromagnetisch geschützten Servern militärischer Nachrichtendienste und tief unter unberührten Feldern und im Innern unwirtlicher Gebirge auf deren jeweiligen Sicherungskopien. Du bist Kringel auf der Fingerspitze, Gesichtsrelation, Zahnarztakte, Stimmmuster, Kaufhistorie, E-Mail-Thread. Und du bist einer von zwei Anzugträgern, die im Fond eines Luxuswagens sitzen, der sich gerade einem Militärpolizisten im Kampfanzug an einem Kontrollpunkt vor dem Truppenquartier deiner Stadt nähert.
    Dieser Polizist muss sich binnen Sekunden entscheiden, welches Fahrzeug er herauswinkt, damit seine Einheit es durchsucht. Lkw, Busse und alle Fahrzeuge, in denen mehr als drei ausschließlich männliche Personen unter fünfzig sitzen, werden zwingend kontrolliert. Bei allen anderen verlässt er sich auf seinen Instinkt und auch auf Stichproben, denn Vorhersehbarkeit ist in jedem Verteidigungssystem ein fataler Fehler. Du gefällst ihm jedenfalls überhaupt nicht. Reiche Zivilisten sind seiner Ansicht nach eine Unterkategorie von Dieb. Sie plündern euer Land seit Generationen nach Strich und Faden aus. Aber reiche Zivilisten haben mutmaßlich auch Kontakt zu Generälen, daher stehen sie teilweise außerhalb der sonst klaren, fünfstufigen Hierarchie aus Offizier, Unteroffizier, gemeiner Soldat, loyaler Bürger, Feind. Sein Blick überfliegt deine Miene, registriert deine ruhige Selbstsicherheit, auch die Mienen deines Kollegen und des Fahrers. Er winkt dich durch.
    Etliche Überwachungskameras verfolgen die verschiedenen Etappen deiner Fahrt durch das Quartier. Durch die monochromen optischen Sensoren der Kameras trübt sich der teure Metallic-Lack deiner Limousine zu einem Rattengrau. Hinter dir sind Szenerien, die sich seit der Unabhängigkeit kaum verändert haben, Bilder bestens gepflegter Rasenflächen, Kasinoräume mit Regimentsinsignien, hüfthoch weiß gestrichene Bäume. Häuser der Nachkommen von Korps- und Divisionskommandeuren stehen neben solchen von oligarchischen Handelsmagnaten, und überall herrschen unbeugsame Ordnung und Baumanlagen, die zunehmend untypisch werden für deine Stadt, deren Großteil außerhalb dieser befestigten Garnisonsenklave wie eine große Wanderhorde brodelt, die eine königliche Burg belagert.
    Eine andere Militärpolizeieinheit sieht, wie du das Quartier verlässt, und zehn Minuten später wirst du von privaten Sicherheitsleuten beobachtet, wie du unter dem Bogen durchfährst, der den Beginn einer Elite-Wohnungsgesellschaft anzeigt, die von einem umfassenden Netzwerk aus militärnahen Unternehmen vermarktet, entwickelt und verwaltet wird. Am Hauptsitz dieser Gesellschaft folgt dir und dem Schwager, der dein Stellvertreter und leitender Geschäftsführer ist, der Blick eines Scharfschützen auf dem Dach, als ihr beide aussteigt. Drinnen schüttelt euch ein pensionierter Brigadegeneral die Hand, führt euch in den Vorstandsraum und erzählt euch mit Besitzerstolz von seinem neuesten Vorhaben.
    »Phase zehn ist groß«, sagt er. »Größer als die Phasen eins bis fünf zusammen. Größer als sieben und acht zusammen. Sogar noch größer als sechs, und sechs war schon riesig. Die Zehn ist ein Meilenstein. Ein Aushängeschild. Mit der Zehn gehen wir auf die nächste Ebene. Die Zehn wird ein eigenes Elektrizitätswerk haben. Da gibt’s dann keine Stromausfälle mehr.«
    Er hält inne, wartet auf eine Reaktion.
    »Unglaublich«, sagt dein Schwager. »Unfassbar.«
    »Aber das ist noch nicht alles. Auch andere gehobene Bauunternehmen errichten E-Werke. Wir bringen sie in sämtlichen Phasen, in allen unseren Städten. Nein, was die Zehn einzigartig machen wird und warum Sie hier sind, ist Wasser. Wasser. In der Zehn werden Sie, wenn Sie den Hahn aufdrehen, auch trinken können, was da