So wirst du stinkreich im boomenden Asien: Roman (German Edition)
ganzen Welt.
In diesem Augenblick würden ihm seine Augen und Ohren oder vielmehr seine Augen, da die Entfernung die Nützlichkeit seiner Ohren doch etwas reduziert, den Bericht ermöglichen, dass du durch ein Fenster zu sehen bist, wo du am Esstisch in deinem Flügel des Hauses sitzt und wie meistens um diese Zeit auf das Eintreffen deines Sohnes wartest, der gerade die Diele durchquert, die deinen Flügel von dem deiner Frau trennt. Sie ist eine für die gemeinnützige religiöse Organisation, der sie vorsteht, hochgeachtete Frau, und wenn der Wachmann die Tagschicht macht, ist es seine bei weitem häufigste Aufgabe, die Lieferung der Einschreibebriefe mit Spenden entgegenzunehmen, die in einem steten Strom eintreffen, und für eine energische Schar fromm gewandeter weiblicher Freiwilliger das Tor zu öffnen und zu schließen.
Unter deinen Wachleuten und den anderen Hausangestellten ist allgemein bekannt, dass die Trennung zwischen dir und deiner Frau über den Grundriss deines Hauses hinausgeht und den sexuellen wie auch den finanziellen Bereich einschließt. Deine Frau schläft ausnahmslos allein und besteht darauf, ihre Rechnungen selbst zu bezahlen, was sie mit dem bescheidenen Entgelt bestreitet, das sie sich von ihrer Organisation auszahlt. Die Putzfrau hat sie sagen hören, dass sie mit dir erst wieder zusammenleben will, wenn euer Kind erwachsen ist, eine Situation, die erst in zwei Jahren eintritt, und für den Wachmann, dem dieser Plan bekannt ist, stellt sie eine umwerfend romantische Figur dar, keusch und entschlossen, und der Anblick ihrer ungefärbten Haare, die schon grau werden, wovon eine Locke gelegentlich in den Blick gerät, lässt sein ehrwürdiges Herz verlässlich schneller schlagen.
Der Wachmann sieht zu, wie du deinen Sohn umarmst, als er zum Essen kommt. Dein Sohn ist groß für sein Alter, schon fast so groß wie du, aber schlank und feminin, ein quälend dissozialer Teenager, der unmäßig viel Zeit im freiwilligen Exil auf seinem Zimmer verbringt. Dennoch betrachtest du ihn, als wäre er ein Siegertyp mit kräftigem Körper und scharfem Verstand, eine geborene Führungsfigur. In der einen Stunde, in der du täglich mit ihm zu Abend isst, lächelst und lachst du, wie es im Haus häufig heißt, mehr als in den anderen dreiundzwanzig.
Später am Abend sieht der Wachmann durch einen Spalt in den Vorhängen deines Arbeitszimmers dann, wie du eine Lampe anmachst und dich niederlässt, allein, dem Blick entzogen. Dein Diener bringt dir ein Tablett mit deinen Cholesterin- und Blutverdünnungsmedikamenten, einem Esslöffel Flohsamenschalen und einem Glas Wasser. Dann geht er mit leeren Händen. Das Licht bleibt an, doch vom Standpunkt des Wachmanns aus sind bei dir keine weiteren Anzeichen einer Tätigkeit zu erkennen.
Online dagegen kann man dich verfolgen, und tatsächlich geschieht das auch, so wie bei uns allen, wie du deine E-Mails liest, die neuesten Nachrichten ansiehst, einen Suchvorgang durchführst und seltsamerweise bei der Website eines Einrichtungsgeschäfts verweilst. Dort ist wenig zu finden, die Seite bietet nicht einmal Bestellmöglichkeiten oder auch nur einen Katalog. Sie bietet lediglich eine Homepage mit ein paar Fotos und etwas Text, eine Kontaktseite mit Telefonnummern, Adresse, einer Karte und der Kurzbiografie der Besitzerin, einer Frau in den Sechzigern, ihrem Bild nach zu urteilen, mit einem unorthodoxen und bewegten Lebensweg. Alles in allem ein merkwürdiger Ort im Äther, der da die Aufmerksamkeit eines Wasserindustriellen fesselt. Die Chronik deiner Wanderungen durchs Internet zeigt, dass du sie davor noch nicht besucht hast. Ein weiterer Besuch wird indes nicht mehr festgehalten.
Die betreffende Website ist in einer anderen Stadt registriert, unter der Privatadresse ihrer Besitzerin, die sich wie viele, vielleicht die meisten Computerbenutzer keine allzu großen Gedanken über Dinge wie Firewalls, System-Updates oder Anti-Malware-Programme gemacht hat. Entsprechend wimmelt es in ihrem Laptop, obwohl es ein schickes High-End-Gerät ist, von digitaler Fauna, ganz ähnlich wie seine Tastatur von unsichtbaren Bakterien und Mikroorganismen wimmelt, nur dass sich unter seinen ungeladenen kodierten Besatzern ein militärisches Programm befindet, das es gestattet, die eingebaute Kamera samt Mikrofon zu aktivieren und fernzusteuern, etwas, was ein einzelliges Protozoon niemals zustande brächte, wodurch der Laptop effektiv in eine verdeckte Überwachungsanlage oder,
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