So wirst du stinkreich im boomenden Asien: Roman (German Edition)

je nach Absicht des Urhebers der Überwachungssoftware, in den Erzeuger eines voyeuristischen Striptease und Pornos verwandelt wird.
    Aber momentan ist nichts derart Aufreizendes in Sicht. Der Computer steht aufgeklappt auf einem Bord, und durch seine Kamera ist eine Frau zu sehen, die allein an einem niedrigen Tisch sitzt, etwas zu Ende isst und eine Flasche Wein trinkt. Das hübsche Mädchen sitzt aufmerksam da, sie schaut nicht auf ihre Hände oder ihr Essen, denn auch Musik ist zu hören, dann eine Unterhaltung, dann heftiger Regen, bis klar wird, dass sie sich einen Film ansieht. Als der vorbei ist, macht sie das Licht aus und verschwindet aus dem Blick. Vage ist laufendes Wasser zu hören. Sie tritt in ihr Schlafzimmer, einsehbar durch die offene Tür, sie ist im Pyjama und reinigt sich mit einer Reihe runder Wattepads und einer Flüssigkeit aus einem durchsichtigen Fläschchen das Gesicht. Sie schließt die Schlafzimmertür und sperrt ab, das Geräusch eines Riegels ist durch das Mikro ihres Laptops zu hören. Eine Lampe wird gelöscht, und der Schimmer, der entlang dem Türrahmen herausdringt, bricht ab.
    Am folgenden Abend kommt das hübsche Mädchen spät nach Hause, ihre Kleidung, ein hochgeschlossenes, ärmelloses Top, das geschmeidige, ädrige, kräftige Arme freilässt, legt nahe, dass sie auf einer Party war. Doch am Abend danach ist das hübsche Mädchen wieder allein, verzehrt ein einsames Mahl mit Wein, wobei sie sich einen Film ansieht, und in dieser dritten Nacht erhält sie einen Anruf. Es ist eine Frau, schnell identifiziert als die Assistentin des hübschen Mädchens, denn das Handy, das sie benutzt, ist mit einem E-Mail-Konto verlinkt, dessen Nachrichten ihre Aktivitäten in dem Geschäft des hübschen Mädchens festhalten.
    Eine Aufzeichnung des Gesprächs enthüllt eine Wärme, die zeigt, dass die beiden eindeutig nicht nur Kolleginnen, sondern Freundinnen sind. Sie besprechen eine Einkaufsreise in ein Tropenland, das für seine üppigen Wälder, seine zahlreichen Inseln, seine Vulkanberge und vermutlich auch seine Möbel berühmt ist. Der Laptopkamera zufolge ist das hübsche Mädchen lebhaft, aufgeregt, offenbar freut sie sich auf diese Auslandsreise. Die Assistentin teilt ihr mit, dass die Visa eingetroffen, Flüge und Hotels gebucht und die örtlichen Kontakte benachrichtigt und bereit sind. Restaurantnamen werden erwähnt, auch eine bestimmte Musik, die sie in einem Konzert hören wollen. Die Abreise ist schon in einer Woche.
    Nach der Unterhaltung lächelt das hübsche Mädchen. Der Laptop ist vom Bett weggedreht, daher sind ihre Rituale vor dem Schlafengehen heute Abend nicht zu sehen. Dagegen sind zu sehen die Stahlstäbe vor dem Fenster, ziemlich dick und eng gesetzt, auch ein viereckiger Bewegungsmelder, der oben an der Wand angebracht ist. Darunter, nahe der Haustür, ist eine kleine, mit der Alarmanlage verbundene Tastatur. Auf dem Bedienfeld wechselt ein Licht von Grün auf Rot, wodurch angezeigt ist, dass sie jetzt aktiviert ist. Vielleicht geschieht das automatisch zu einer voreingestellten Zeit. Vielleicht hat das hübsche Mädchen es aber auch mit dem Schwestergerät, das neben ihr liegt, gemacht.
    Draußen wird von der Straße aus eine Polizeiwache angerufen, Schüsse werden gemeldet. Niemand wird gleich losgeschickt, um der Sache auf den Grund zu gehen. Anderswo wird an einem Strand eine kopflose Leiche ohne die Finger beider Hände geborgen werden. Die Kriminalstatistik wird bestätigen, dass bei einer beträchtlichen Anzahl wohlhabender Anwohner gerade eingebrochen wird oder diese ausgeraubt werden. Der Kontakt zwischen den Extremen von Reichtum und Armut begünstigt solche Vorfälle natürlich. Doch die Revierkämpfe der organisierten Unterwelt überragen alle einzelnen Versuche der bewaffneten Umverteilung von Schmuck oder Handys, und daher wird selbst in dieser äußerst ungleichen Stadt die übergroße Mehrheit der Gewalt in Vierteln begangen, deren Bewohner verlässlich arm sind.
    Paramilitärische Einsatzkräfte werden eingesetzt, um zu verhindern, dass solche Kämpfe allzu schnell in Gebiete schwappen, die für die nationale Sicherheit als wesentlich angesehen werden, der Hafen beispielsweise, exklusive Siedlungsenklaven oder jene führenden Geschäftsstraßen, an denen die Zentralen bedeutender Unternehmen und Banken aufragen. Tatsächlich ist gerade im Moment ein paramilitärischer Kontrollpunkt einen Steinwurf von der turmhohen Zentrale jener Bank aktiv, bei