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So wirst du stinkreich im boomenden Asien: Roman (German Edition)

So wirst du stinkreich im boomenden Asien: Roman (German Edition)

Titel: So wirst du stinkreich im boomenden Asien: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mohsin Hamid
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verbinden deine Brust mit einem piepsenden Computerterminal, der auf einem Gestell montiert ist, und zwei durchsichtige Röhren leiten dir Sauerstoff aus einem nahen Metalltank in die Nasenlöcher und Flüssiges aus einem Plastikbeutel über eine Nadel, die am Handgelenk festgeklebt ist, in den Blutkreislauf. Du bekommst es mit der Angst und willst um dich schlagen, doch deine Gliedmaßen bewegen sich kaum, und du bist sanft fixiert. Eine Krankenschwester sagt etwas. Du hast Schwierigkeiten, ihr zu folgen. Immerhin verstehst du, dass dieser Apparat und du vorläufig unzertrennlich sind.
    Ein Mann zu sein, dessen Leben davon abhängt, an Apparate angeschlossen zu sein, mehrere Apparate, in deinem Fall Anschlüsse für Strom, Gas und Flüssiges, manifestiert den Schock, dass ein unsichtbares Netzwerk plötzlich konkret wird, ähnlich wie eine Fliege ein Spinnennetz erlebt. Die unbeseelten Stränge, die an deinem prekären, noch beseelten Leib hängen, sind ihrerseits mit anderen Strängen verbunden, mit dem Stromnetz der Klinik, ihrem Notstromaggregat, der Infrastruktur ihrer Informationstechnik, dem Gerät, das den Sauerstoff erzeugt, den Leuten, die die Tanks nachfüllen und herumfahren, der Abteilung, die die Medikamente auffüllt, den Lieferwagen, die sie bringen, den Fabriken, in denen sie hergestellt werden, den Minen, aus denen die erforderlichen Rohstoffe stammen, und so weiter und so fort, von deinem Körper in dein Zimmer, durch das Gebäude und zur Tür hinaus in die Welt davor, die in krasser äußerer Realität schon existierende und glücklicherweise unberücksichtigte Systeme darin spiegelt, die Venen, die Nerven und Sehnen und Lymphknoten, ohne die es kein du gibt. Da ist es gut, dass du schläfst.
    Als du das nächste Mal aufwachst, sind deine Neffen da, die Söhne deines Bruders, und zu deiner Überraschung auch deine Exfrau mit ihrem neuen Mann, der mit väterlicher Miene einen Bart trägt, was dich verstört, weil er praktisch eine Generation jünger ist als du. Die Beleuchtung des Zimmers ist eigenartig, futuristisch, das Artefakt entweder moderner Glühbirnentechnik oder deines benebelten Geisteszustands. Dein Arzt tätschelt dir die Hand und gibt dir in Gegenwart aller einen Abriss deines Allgemeinzustands und des Behandlungsverlaufs. Die Prognose ist nicht eben prächtig. Die Herzmuskeln sind beschädigt, und der Bruchteil Blut, das dein Herz pro Schlag pumpt, ist gefährlich gering. Ein solcher Zustand muss nicht unmittelbar tödlich sein, dein Arzt hatte selbst schon einen Patienten, der nach einer ähnlich gelagerten Beeinträchtigung eine Besserung erfahren und noch Jahre gelebt hat. Aber du hast auch noch beträchtliche Obstruktionen der Koronararterien, und daher besteht die Wahrscheinlichkeit eines baldigen dritten Herzinfarkts, der fast sicher letal wäre. Allerdings kommen in deiner Lage ein Bypass oder eine Angioplastie nicht infrage, und nach Einschätzung deines Arztes wäre es auch unklug, dich zu entlassen. Es sei wohl das Beste, man warte ab.
    Du verstehst diesen Rat als verschlüsselte Anweisung, dich auf den Tod vorzubereiten, ein Gedanke, der noch verstärkt wird durch den nassen Film, den du auf den Augen deiner Exfrau tanzen siehst. Sie kommt täglich in die Klinik, meistens ohne ihren Mann. Sie ist förmlich, aber auch effizient, als spielte sie in einem Film die Rolle der engagierten Nachlassverwalterin. Unter ihrer Aufsicht werden zweite und dritte Meinungen eingeholt, ein neuer Kardiologe ausgemacht und du in eine andere Einrichtung verlegt. Ein namhafter Weltexperte hat eingewilligt, dich in einigen Wochen, wenn er das nächste Mal in der Stadt ist, zu untersuchen, und offenbar setzt deine Exfrau große Hoffnungen in ihn.
    Dieser Weltexperte ist wie ein Mann von einem anderen Stern, seine Haut schimmert orange, seine Zähne sind unnatürlich weiß und seine Haare so dicht, dass er auch ohne Helm sicher Motorrad fahren könnte. Nachdem er dich untersucht und deine Akte gelesen hat, sagt er, es gebe keinen Grund, warum es nicht mit ein paar Stents in den Arterien getan sein sollte. Natürlich bestehe die geringe Möglichkeit, dass du auf dem OP-Tisch stirbst, aber da die sehr große Möglichkeit bestehe, dass du bald auch so stürbest, scheine der potenzielle Erfolg das Risiko zu überwiegen.
    Du willigst in die Prozedur ein. Du erlebst sie bei Bewusstsein und beobachtest unruhig auf einem Monitor die Bilder der Kamera einer Robotersonde in deinem Körper, wie winzige

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