So zärtlich war das Ruhrgebiet
Luke : Lucky Luke und der Kopfgeldjäger. Lucky Luke
las auch Papa sehr gern, und ich quengelte solange, bis er das Heft kaufte.
Aber ich musste von meinem Taschengeld eine Mark dazutun, und Papa durfte es
als Erster lesen. In der Geschichte ging es um den Indianer Tea Spoon, auf den
ein reicher Pferdezüchter 100.000 Dollar Kopfgeld ausgesetzt hatte, weil er ihn
verdächtigte, sein Lieblingspferd gestohlen zu haben. Papa hatte beim Lesen
einen Kaffeefleck auf den Umschlug gemacht.
Außer Lucky Luke las ich noch Zack , Tarzan , Dick & Doof und die Lustigen Taschenbücher ,
aber nur die mit Onkel Dagobert, Donald Duck und seinen drei Neffen. Wer war
eigentlich die Mutter von denen? Geschichten mit Micky Maus und Goofy waren
doof, außer wenn das Phantom darin vorkam.
Einmal kam Monika, eine Cousine von Mama, mit ihrem
Freund zu Besuch, und er schenkte mir eine ganze Einkaufstüte voll Comics.
Darin waren lauter Hefte von Comicfiguren, die ich nicht kannte: Wastl , Jupiter , Bolo und Vampirella . Vampirella war fast vollkommen nackt, und
keine der Geschichten in den Vampirella-Heften war komisch. Solche Comics gab
es also auch. In einem Heft, das Pip hieß, gab es sogar Fotos von
ausgezogenen Frauen. Sehr seltsam. Was suchten die in einem Comic-Heft?
Nicht so gut waren die Primo -Hefte, Felix und Fix & Foxi . Fix und Foxi waren nur gut, wenn
das Marsupilami darin vorkam, ein gelbes, schwarzgeflecktes Tier aus dem Urwald
von Palumbien mit meterlangem Schwanz, das unglaublich stark und beinah
unbesiegbar war. Später bekam ich von Onkel Catcher auch Superman - und - Batman -Hefte
geschenkt, aber die waren ziemlich verwirrend. Da gab es grünes Kryptonit,
weißes Kryptonit, blaues und noch andere Sorten. Allen Sorten war gemeinsam, dass
sie die Superkräfte von Superman lahmlegen konnten, aber immer unterschiedlich.
Außerdem gab es noch Bizarro, der so ähnlich wie Superman aussah, und
Bizarro-Welt, wo plötzlich alles anders war als in Supermans richtiger Welt.
Und es gab Terraman, Aquaman, den Roten Blitz, die Gerechtigkeitsliga, den
Joker und den Pinguin. Manchmal kämpften Superman und Batman auch gemeinsam.
Der beste Freund von Superman hieß Jimmy Olsen.
Papa war mit Mama im Kino gewesen, und sie hatten sich
„Pappilon“ angesehen. Mama war ganz begeistert von diesem Film und erzählte,
wie Pappilon auf eine Leprainsel gelangte und dort einem Leprakranken die Hand
schüttelte.
Mein bester Freund auf der Friedrich-List-Realschule war
Guido Niebecker. Im Rauhen Kamp besaßen seine Eltern ein Haus, das im Garten
sogar einen Swimmingpool hatte. So etwas hatten nicht mal die Hartwigs. Im
Keller stand eine große Eisenbahnplatte, und es gab einen Partyraum mit Theke
und einem Geldspielautomaten an der Wand.
Als Kirmes auf dem Fredenbaumplatz war, ging die
versammelte Familie hin: Meine Onkel – Manfred, Bernhard, Heinzi und Catcher –,
Omma Zarth und meine Tanten Marianne und Christa. Mein Cousin Andreas und ich
durften mit der Raupe fahren. Da stülpte sich zum Schluss der Fahrt ein
Zeltdach über die Wagen. Die Achterbahn nannte Mama Berg- und Talbahn und war
davon nicht abzubringen. Auch eine Boxbude gab es, und wir gingen alle hinein.
Zu Beginn kam ein Mann und sagte, dass derjenige, dem es gelinge, drei Runden
im Ring gegen einen der Boxer zu bestehen, hundert Mark bekommen würde. Papas
Arm schnellte in die Höhe. Als er jung war, hatte er in den Hinterhöfen rund um
den Nordmarkt selber Boxkämpfe organisiert.
Mama rief: „Hans-Jürgen, bist du verrückt!?“,
aber meine Onkel waren begeistert.
„Zeig’s ihm, Großer!“, riefen sie ihm zu, als
Papa in den Ring kletterte, wo schon ein Boxer auf ihn wartete.
Man zog Papa Boxhandschuhe an und erklärte ihm
die Regeln. Dann ertönte ein Gong, und Papa schlug den Boxer nieder. Das
Publikum johlte und klatschte, aber der Besitzer der Boxbude weigerte sich,
Papa die versprochenen hundert Mark auszubezahlen. Er sagte, Papa hätte nicht
die vollen drei Runden gekämpft.
Das Publikum buhte.
Papa schlug den Besitzer der Boxbude nieder.
Das Publikum johlte.
Drei weitere Boxer stiegen zu Papa in den Ring
und gingen auf ihn los. Jetzt kletterten auch Tante Marianne, Onkel Catcher und
Onkel Manfred hinauf.
Tante Marianne schlug mit ihrer Handtasche zu.
Das Publikum johlte.
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