So zärtlich war das Ruhrgebiet
Schule auf mich, und ich musste ihm den Schläger zeigen. Anschließend
sah Onkel Catcher zu, wie ich den Größeren verprügelte.
„Gib ihm noch eine, Micky“, sagte Onkel Catcher,
„sonst mach’ ich das!“, und der größere Junge bat mich, ihm noch eine zu hauen.
Nur den rechten Schuh fanden wir nicht wieder, was sehr dumm war, denn ich
besaß kein anderes Paar und Geld für ein neues hatten wir auch nicht. Also ging
ich in Schuhen meiner Mutter, die ungefähr dieselbe Größe hatte, zur Schule.
Sie wartete bereits auf meine Heimkehr, damit sie endlich einkaufen konnte. Die
Schuhe, die ich trug, waren auch ihr einziges Paar. Papa hatte zwar schon am
Abend vorher versucht, das Geld für ein neues Paar Schuhe für mich beim
Kartenspielen im „Nordlicht“ zu gewinnen, aber leider verloren.
Als ich am nächsten Tag erneut in den Schuhen meiner
Mutter in die Schule kam, regnete es denselben Spott auf mich hernieder wie
schon tags zuvor. Fest und steif beharrte ich darauf, Männerschuhe zu tragen,
aber natürlich waren meine Mitschüler nicht blöd. Als Bernd Gierach sagte, dass
ich ein Schwulibert sei, knallte ich ihm meine Faust ins Gesicht. Er verpetzte
mich beim Aufsicht führenden Lehrer, und ich wurde zum Direktor, Herrn
Feitinghoff, abkommandiert.
Herr Feitinghoff wollte wissen, warum ich so
brutal auf meine Mitschüler losgehen würde, er dulde an seiner Schule keine
Gewalt. Wortlos starrte ich auf meine Schuhe, aber Herr Feitinghoff verstand
den stummen Hinweis nicht. Stattdessen schrieb er einen Zettel. Meine Eltern
sollten in die Schule kommen. Damit entstand ein neues Problem. Da Mama und ich
uns ihre Schuhe teilten, konnte ja nur einer von uns beiden in die Schule
kommen. Also sagte Mama zu Papa, er müsse allein gehen, wovon Papa nicht
begeistert war.
Als Papa mit mir in das Büro von Herrn
Feitinghoff trat, fing Herr Feitinghoff sofort an zu schreien. Ein feines
Früchtchen hätte Papa sich da großgezogen! Papa brach ihm mit einem Faustschlag
die Nase. Menschen, die ihn anschrien, mochte er nicht.
„Was veranstalten Sie hier für ein blödes
Theater?“, fragte Papa. „Meine Kinder sind keine Schläger, genauso wenig wie
ich.“
Herr Feitinghoff fand das nicht sehr überzeugend
und sagte, das werde Konsequenzen haben, und drohte Papa mit einer
Strafanzeige, was sehr dumm von ihm war. Papa verpasste ihm nämlich noch einen
Schlag, und Herr Feitinghoff musste in die Klinik. Als er am Krankenbett Besuch
von Onkel Bernhard und Onkel Catcher bekam, zog er die Anzeige zurück. Nur das
Schuhproblem war damit noch immer nicht gelöst.
Für das erste bekam ich ein Paar
von Onkel Catcher zugeteilt, dessen Schuhgröße der meinen am nächsten kam. Mama
stopfte Papier in die Spitze, damit mein Fuß besseren Halt fand. Optimal war
diese Lösung aber nicht. Onkel Catchers Schuhe hatten Plateau-Sohlen und zwölf
Zentimeter hohe Absätze. Beim Laufen hatte ich das Gefühl, auf Stelzen zu
gehen. Meine Mitschüler fanden meine neuen Schuhe zwar bombig, aber für den
Schulweg brauchte ich jetzt die dreifache Zeit.
Dann entdeckte ich durch Zufall,
dass Onkel Catcher, der vor ein paar Monaten wieder zu Omma Zarth gezogen war,
unter seinem Bett Sexhefte versteckte. Heimlich steckte ich einige ein und
beschloss, mir meine Schuhe selbst zu verdienen. Die Hefte schlugen in der
Klasse ein wie eine Bombe. Ich verkaufte immer nur einzelne Seiten, für fünfzig
Pfennig das Stück. Drei Tage später war ich reich genug, mir meine neuen Schuhe
selbst zu finanzieren. Mit meinem einträglichen Geschäft aber machte ich
weiter. Munter schaffte ich weitere Hefte aus Onkel Catchers Versteck in die
Schule und verkaufte sie in der Pause auch an Schüler anderer Klassen. Bis zu
dem Tag, an dem Herr Mattheshausen, unser Kunstlehrer, die Hefte unter meinem
Tisch entdeckte und sie konfiszierte. Er trug mir einen Tadel ins Klassenbuch
ein und verständigte brieflich meine Eltern. Als Mama von der Sache erfuhr, sagte
sie, ich wäre ein Schwein. Und Onkel Catcher auch. Mama wollte jedenfalls
nichts damit zu tun haben, und weil es seine Hefte waren, beauftragte sie Onkel
Catcher, zu Herrn Mattheshausen zu gehen.
In der Schule forderte Onkel
Catcher von Herrn Mattheshausen sein Eigentum zurück. Der jedoch sagte, er
hätte die Ekel erregenden Hefte verbrannt. Er war erst bereit, meinem Onkel den
entstandenen Schaden zu ersetzen, als
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