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So zärtlich war das Ruhrgebiet

So zärtlich war das Ruhrgebiet

Titel: So zärtlich war das Ruhrgebiet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laabs Kowalski
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Als die drei Boxer auf dem Boden lagen, kamen
Papa, Onkel Catcher, Tante Marianne und Onkel Manfred wieder herunter. Papa
rief dem Chef der Boxbude zu, das Geld könne er sich in die Haare schmieren,
und Onkel Catcher erklärte, bei der nächsten Kirmes kämen wir wieder, der
Budenbesitzer solle sich schon mal bessere Kämpfer besorgen.
             Als wir gingen, wurde überall geklatscht, nur
Mama schimpfte mit Papa, er und seine Geschwister hätten sich mal wieder zum
Affen gemacht, es sei immer dasselbe.
     
    1974
     
    Im Hausflur brachte ich meinem kleinen Bruder Manfred das
Laufen bei, und im Fernsehen gab es eine neue Zeichentrickserie. Darin ging es
um einen kleinen Wikingerjungen, der große Angst vor Wölfen und allem Möglichen
hatte, dafür aber immer gute Einfälle, wenn er mit seinem Vater Halvar und
dessen Männern auf Raubzügen war und sie plötzlich wieder mal in
Schwierigkeiten steckten: Wickie und die starken Männer .
    Den Grand Prix de la Chanson
gewann die Gruppe Abba aus Schweden mit dem Lied „Waterloo“, das auch das beste
im ganzen Wettbewerb war. Deutschland kam mit Cindy & Bert und der
„Sommermelodie“ nur auf Platz 14. Kein Wunder. Was sie angehabt hatten, sah
wirklich fürchterlich aus: Bert ganz in Grün, Cindy in einem scheckigen
Flatterkleid in Grün und Orange.
     
    Zu meinem Geburtstag bekam ich einen Kassettenrekorder
mit Mikrophon geschenkt und dazu drei Leerkassetten.  Mit dem Mikrophon konnte
ich Lieder aus dem Radio aufnehmen: „Es war einmal ein Jäger“ von Katja
Ebstein, „Willst du mit mir gehen“ von Daliah Lavi, „Augen wie Feuer“ von Vicki
Leandros und „Hier steht ein Mensch, öffne die Tür“, aber bei dem Lied wusste
ich nicht, wer es sang, weil der Radiomoderator es nicht angekündigt hatte.
     
    Kurz nach meinem Geburtstag spielte Deutschland gegen
Holland, und wir wurden Weltmeister. Papa schickte mich zum Kiosk, Eis holen für
alle. Auf dem Weg dorthin rief ich probeweise ein paar Mal: „Wir sind
Weltmeister!“, aber ich fühlte mich nicht anders als sonst. Auf den Straßen
standen Männer und jubelten laut.
     
    Nachts schellte es plötzlich sehr laut an der Tür, ein
blutüberströmter Mann bat Mama, telefonieren zu dürfen. Er war mit seinem Auto
von der Straße abgekommen und in den Graben gefahren. Ein Krankenwagen kam.
    Morgens, als Papa von der
Nachtschicht zurückkehrte, berichtete ihm Mama, was geschehen war, und Papa sagte:
„Ich hab’ vergessen, mir Zigaretten zu kaufen. – Micky, schau mal, ob du im
Wagen von dem Mann welche findest …“ Aber als ich hinging, war dort schon die
Polizei und sicherte Spuren. Als ich einen der Beamten fragte, ob ich
Zigaretten kriegen könnte, jagten sie mich weg.
    Drei Tage später fuhr schon wieder ein Auto in den
Graben. Diesmal war es ein Tankwagen, aus dem Tausende Liter Milch ausliefen,
die einen halben Meter hoch im Graben stand. Frau Gierse lief mit zwei Eimern
hin, um sie füllen, aber die Milch war ganz schmutzig und nicht mehr zu
gebrauchen. Das täte ihr im Herzen weh, sagte Frau Gierse. Die schöne Milch!
             Mit einem großen Kran wurde der Tankwagen aus
dem Graben gehievt. Aufregend, was neuerdings alles auf der Evinger Straße
geschah.
     
    Im Fernsehen gab es eine neue Sendung, in der drei
Kandidaten zunächst  Fragen zu ihrem persönlichen Spezialgebiet und
anschließend allgemeine Fragen von einer Monitorwand beantworten mussten. Sie
hieß „Der große Preis“ und wurde von Wim Thoelke moderiert.
    Wieder schellte es nachts, aber diesmal war es kein
blutender Mann, sondern Onkel Bernhard, der sich heimlich von der Bundeswehr
davongemacht hatte und auf einem gestohlenen Fahrrad von Münster bis zu uns
gefahren war. Bis zu Omma Zarth hatte es es nicht mehr geschafft, denn er war
völlig erschöpft und ausgehungert. Mama stellte eine Pfanne auf den Herd und
machte ihm Koteletts. Dann rief sie in der Minicar-Zentrale an, damit man Papa
über Funk ausrichtete, er müsse schnell nach Hause kommen, Onkel Bernhard sei
desertiert. Als Papa kam, hatte er Onkel Manni und Onkel Heinzi dabei. Zusammen
mit ihrem fahnenflüchtigen Bruder spielten sie am Küchentisch Schafskopf,
später brachten sie Onkel Bernhard in die Kaserne zurück.
     
    1975
     
    Auf dem Nachhauseweg nahm mir ein größerer Schüler einen
Schuh weg und warf ihn über eine Mauer. Ich kehrte mit einem blauen Auge und
ohne rechten Schuh nach Hause zurück. Am nächsten Tag wartete Onkel Catcher
nach der

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