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So zärtlich war das Ruhrgebiet

So zärtlich war das Ruhrgebiet

Titel: So zärtlich war das Ruhrgebiet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laabs Kowalski
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wieder auf seine Tochter, auf Manna und auf das Schaf. Als er sich
ein wenig beruhigt hatte, wandte sich Kristina wieder an uns.
     „Er ist zu alt, um selbst noch
einen Erben zu zeugen, deshalb bittet er dich und bietet dir das Schaf dafür“,
erklärte sie lachend.
    „Er hatte vor, ein Kind mit
seiner Tochter zu machen?“, erkundigte sich Manna verblüfft.
    „Sie ist nicht seine Tochter –
sie ist seine Frau“, klärte Kristina ihn auf.
    „Also, Manna, mach hinne und tu’
ihm die Freude, damit hier endlich wieder Ruhe is’“, sagte Onkel Manni. „Bist
ja sonst auch nicht wählerisch …“
    „Was soll das heißen?“, fragte
Manna böse.
    „Na, die Dicke neulich, mit der
du abgezogen bist. Und sag mir jetzt nicht, das waren zwei. – Und wenn dir
seine Frau nicht gefällt, nimm wenigstens das Schaf, als Zeichen deines guten
Willens.“
    Manna machte Anstalten, sich auf
Manni zu stürzen, als plötzlich der Schaffner erschien. Sofort begann der Alte
wieder zu schimpfen und deutete während seiner Tirade erneut auf Manna, das
Schaf und das Mädchen, das seine Ehefrau war.
    „Was für ein Scheißland“, fluchte
Onkel Manni, „überall nur Idioten und debile Kretins!“
    „Was haben Sie gesagt?“, fragte
der Schaffner,
    „Dass das hier ein Scheißland ist,
du blöder Penner! Bis auf meine Schwägerin in spe scheint’s hier nur Bekloppte zu
geben. Und du, mein Freund, scheinst mir der Häuptling zu sein.“
    Erst in diesem Moment merkte
Onkel Manni auf. Er zuckte zusammen.
    „Sie sprechen deutsch?“, fragte
er dann.
    „Ja, der bekloppte Penner spricht
deutsch!“, entgegnete der Schaffner.
    „Mich haben sie auch schon
beleidigt!“, sagte nun der Greis, nun gleichfalls auf Deutsch. Tun Sie mir den
Gefallen, Genosse, und erschießen Sie sie!“
    Es gelang Kristina nicht, den in seiner
Würde schwer gekränkten Schaffner zu überzeugen, Großmut walten zu lassen. Am
nächsten Bahnhof stieg Polizei in den Zug und nahm Onkel Manni in Haft. Uns
anderen blieb nichts anderes übrig, als ihm und den Polizisten zu folgen. Nur
unter Protest ließ mein Vater den Käfig mit den Hühnern zurück.
    Der Plan der Beamten, Onkel Manni
dem örtlichen Polizei-kommandanten zuzuführen, erwies sich als schwer
durchführbar, weil dieser sich bei einem Fußballspiel in der Nachbarstadt
befand. Nach langem Hin und her stieß man Onkel Mann in ein Auto, um ihn ebenfalls
dorthin zu befördern. Kristina wirkte besorgt, die anderen Frauen brachen nun
in Tränen aus.
    „Den sehen wir nie wieder!“,
schluchzte Tante Anna.
    „Alles ist nur meine Schuld!“,
klagte Manna vor sich hin. „Wär’ ich doch bloß auf das Angebot von dem Alten
eingegangen …“
    „Wir müssen ein Auto mieten und
den Polizisten folgen“, sagte Kristina. „Händigt mir eure Wertsachen aus.“
             Als wir drei zwei Stunden später das örtliche
Fußballfeld in der Nachbarstadt erreichten, schluchzten Omma Zarth, Tante Anna
und Tante Rita noch immer. Zornig schleuderte die Sonne ihre Strahlen zur Erde,
wir waren durstig, hungrig und verzweifelt dazu. Umso verblüffter waren wir,
als wir Onkel Manni im Kreise der Beamten fröhlich an einem Tisch vor einer
Kneipe sitzen sahen. Er wurde vom Polizeikommandanten als Held des Tages
gefeiert, hatte er doch im Spiel gegen die verhasste Nachbargemeinde das
entscheidende Siegtor geschossen.
             „Ehrlich, so schlechte Spieler hab’ ich lange
nicht gesehen!“, erklärte Onkel Manni. „Also hab’ ich auf Milan eingeredet,
mich aufs Spielfeld zu lassen …“
             Milan, der Polizeikommandant, schlug meinem
Onkel fröhlich auf den Rücken, wobei er fröhlich„Bumm! Puorta!“ in die Runde
schrie. Allen fiel ein großer Stein vom Herz.
             „Wieder mal mehr Massel als Verstand gehabt!“,
sagte Kristina. „Mit euch, da macht man was mit. Und in so was will ich
übermorgen einheiraten …“
             Wie sich im Nachhinein herausstellte, hatte
Onkel Manni aufgrund von Verständigungsproblemen versehentlich auf der
gegnerischen Seite gespielt. Sein Eigentor in buchstäblich letzter Sekunde
hatte ihm dennoch die Freundschaft des Kommandanten beschert. Mit großem Hallo
wurden wir von den Beamten zurück zum Bahnhof geleitet, wobei Milan
radebrechend – an deutschen Worten kannte er hauptsächlich „Abführen!“ und
„Erschießen!“; er hatte diese Worte während des Krieges von einem deutschen
Kollegen und Waffenbruder gelernt – die

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