So zärtlich war das Ruhrgebiet
Flugzeuge, um vom Flughafen
Düsseldorf aus gen Rumänien zu reisen, wo Onkel Heinzi in einer Stadt namens
Medias nun endlich seine Kristina heiraten wollte. Omma Zarth samt ihrer sieben
Kinder, meine Brüder, meine Mutter und ich, Tante Christa und Manna Nüst
nisteten uns am Schwarzen Meer in einem Hotel in Neptun ein und brachen nach
einer Woche, geleitet und beschirmt von der Braut, von Konstanza aus per Zug ins
Landesinnere auf.
Im Hauptbahnhof von Konstanza herrschte ein großes
Gewimmel. Menschen und Tiere knäuelten sich in großen Haufen. Vielleicht
tauschten einige Menschen und Tiere auch Genome aus, es war nicht genau zu
erkennen.
„Hier sieht’s aus wie an `nem Samstagabend in
deiner Pinte, Manni!“, verkündete Catcher. „Nur dass es besser riecht!“
Kristina hatte alle Mühe, Onkel Mannis Hände vom
Hals seines Bruders zu trennen, und mahnte die Brüder, sich ruhig zu verhalten,
die rumänische Polizei verstehe keinerlei Spaß.
Sie sollte Recht behalten.
Vor dem Fahrkartenschalter
drängelten sich Hunderte Menschen. In etwa sieben Minuten fuhr unser Zug. Das
Problem war: Der Fahrkartenschalter hatte geschlossen. Als er zwei Minuten vor
Abfahrt des Zuges endlich öffnete, presste sich die Menge dem Schalter
entgegen. Einem Glücklichen wurde eine einzige Karte verkauft, dann schloss der
Beamte den Schalter erneut.
„Nicht gut!“, kommentierte
Kristina und erklärte, dass man in Rumänien fürs Schwarzfahren zwei Jahre
Gefängnis bekäme, um dort gemeinsam mit Meuchelmördern, Vatermördern, Muttermördern,
Kindesmördern, Frauenmördern, Räubern, Politischen, Irren, Ziegenliebhabern und
Vegetariern auf Jahren in einer Großraumzelle zu darben.
Im Tausch gegen Onkel Heinzis
Armbanduhr, zwei Feinstrumpfhosen der Marke „Nur die“ und 500 Lei bekam sie die
Fahrkarte des einen Glücklichen, dem sie verkauft worden war.
„Was sollen wir mit einer Karte?“,
fragte Tante Anna.
„Na, was wohl“, belehrte sie
Manna. „Die ist für Kristina. Damit sie auf freiem Fuß bleibt und uns rausboxen
kann, wenn wir anderen in den Knast wandern …“
Er hatte es als Witz gemeint –
ein Blick auf Kristina zeigte uns aber, er hatte ins Schwarze getroffen.
„Na, das geht ja gut los“, klagte
Onkel Manni und war ganz fahl im Gesicht.
Doch es blieb keine Zeit, große
Ängste zu entwickeln. Kristina trieb uns in den Zug.
„Scheiß Ostblock!“, schimpfte
Manna.
„Leise, verdammt!“, rief Onkel
Manni. „Wenn dich einer hört! Dann sind wir `nen Kopf kürzer, du Irrer!“
„Bei deiner Frisur vielleicht gar
nicht mal schlecht“, erwiderte Manna, und Kristina hatte alle Mühe, Mannis
Hände von Mannas Kehle zu trennen. Dann setzte sich der Zug schnaufend in
Bewegung, und wir suchten nach freien Abteilen. Ich landete mit Omma Zarth,
Manna Nüst und Onkel Manni in einem, das nur von einem uralten Greis, seiner
augenscheinlich schwachsinnigen Tochter und einem Schaf in Beschlag genommen
worden war. Derweil machte sich Kristina auf die Suche nach dem Schaffner, um
ihn zu bestechen.
„Ich wette, der IQ vom Schaf ist
höher als der von den beiden andern zusammen!“, sagte Manna Nüst und nickte dem
Alten freundlich lächelnd zu.
„Foarte bine, prietenul meu!“, erwiderte
der Greis und griente.
„Was sagt er?“, wollte Manna
wissen.
„Dass du endlich dein blödes Maul
halten sollst!“, sagte Manni. „Du stößt uns noch alle ins Unglück mit deiner
blöden Laberei!“
„Deja este posibil“, sagte der
Greis.
Nach einer halben Stunde erschien
Kristina, um uns zu beruhigen.
„Alles in Ordnung“, erklärte sie
uns. „Wenn der Schaffner kommt, reicht ihr ihm eure Personalausweise, dann weiß
er Bescheid.“
Es sollte anders kommen. Nicht
nur weil mein Vater drei Abteile weiter zum ersten Mal Glück beim Kartenspielen
hatte und von seinen Mitreisenden einen Käfig mit Hühnern gewonnen hatte, worüber
sich die Verlierer lautstark beim Schaffner beschwerten, sondern auch, weil in
unserem Abteil plötzlich der Greis verärgert war und zu herumzuschreien begann,
wodurch weitere Mitreisende herbeigelockt wurden.
„Wieso ist die Mumie plötzlich so
wütend?“, wollte Manna wissen. „Und wieso sind in diesem Land eigentlich alle
meschugge?“
Zum Glück erschien abermals
Kristina und kämpfte sich durch die Gaffer zu uns ins Abteil. Auf Rumänisch
fragte sie den Alten, was los sei. Der schimpfte wild zeternd drauf los und
zeigte immer
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