Social Netlove
gefiel der Gedanke gar nicht, dass Jamie heute Abend vielleicht in einer Bar unterwegs sein würde, in der er
jede
haben konnte.
»Dann muss dein Zuhörer ja eine ziemlich gute Partie sein«, stellte Isa amüsiert fest. »Wo hast du dieses Prachtexemplar denn her?«
»Also … Das klingt jetzt vielleicht blöd, aber ich habe ihn über Facebook kennengelernt.«
»Facebook? Seit wann suchst du dir denn Männer im Internet, Marie?«
»Er ist ja nicht irgendein wildfremder Mann«, rechtfertigte ich mich unsicher. »Du kennst ihn auch – von früher.«
»Oh, jemand von unserer alten Schule? Lass mich mal überlegen, wer könnte denn da für dich dabei gewesen sein …«
»Also bitte, Isa, welcher Typ an unserer Schule war denn so besonders, dass ich mich nach zehn Jahren noch an ihn erinnern würde?«
»Außer Norman niemand – und der war auch nur besonders scheiße.« Wir grinsten uns an, was vor acht Jahren noch unmöglich gewesen wäre, als der feine Herr Medizinstudent in spe mich wegen der fünfundvierzig-Kilo-Stange Agneta Rheinemöller verlassen hatte.
»Na gut, wer ist es dann?«
»Tja … Erinnerst du dich noch an Jamie Baker von B.Touched?«
Isa grinste bedeutungsvoll. »
Natürlich
. Wie könnte ich denn unsere Jungs jemals vergessen?! Aber wie kommst du jetzt ausgerechnet auf B.Touched?« Als ich nichts sagte, wurde Isas Grinsen breiter. »Nein! Ist Jamie Baker etwa deine Internet-Bekanntschaft? Du nimmst mich doch auf den Arm, Marie!«
»Leider nicht. Also, ich meine,
gottseidank
nicht. Obwohl ich mir beim Lesen seiner Mails immer wieder aufs Neue ins Gedächtnis rufen muss, dass er wirklich
der
Jamie Baker ist.«
»Ich fasse es nicht, Marie. Da schnappt sich das kleine Unschuldslamm ganz dreist ihren Jugendschwarm! Wie hast du das gemacht?«
»Ich habe ihn mir nicht
geschnappt
«, wehrte ich ab. »Vor ein paar Wochen habe ich B.Touched im Fernsehen gesehen. Und am nächsten Tag war mir auf der Arbeit langweilig, so dass ich einfach mal gegoogelt habe, was die Band nach ihrer Trennung so gemacht hat … Und dabei habe ich eben Jamies Facebookprofil entdeckt.«
»Und dann hast du ihm einfach so geschrieben?« Isabelle schien ein wenig fassungslos zu sein.
»Wieso auch nicht? Ich hatte ja nichts zu verlieren.«
»Außer, dass er dich als irren Fan abtut, der seine Privatsphäre nicht respektiert.«
»Dann wäre das eben so gewesen und er hätte mich ignoriert.«
Was er anfangs ja auch getan hatte
, rief ich mir ins Gedächtnis. Doch von der abwehrenden Art war längst nichts mehr zu spüren. Jamie suchte den Kontakt zu mir genauso wie ich zu ihm. Er hatte sich zum Beispiel gemerkt, wann ich Mittagspause machte, denn um kurz vor zwölf erwartete mich täg-lich eine Nachricht in meinem Facebook-Postfach, in der er mir von seinem Morgen erzählte und meist auch eine Jogging-Runde durch den Hyde Park ankündigte.
Ich stellte mir dann immer vor, wie er in dem Moment, in dem ich seine Nachricht las, perfekt trainiert durch London lief, ohne zu Schnaufen, dafür aber anerkennende Blicke der umherstrebenden Männer und Frauen erntend. Erst vor ein paar Tagen hatte Jamie mir erzählt, dass er in den vergangenen drei Jahren beim Virgin London Marathon mitgemacht hatte. Über zweiundvierzig Kilometer am Stück zu laufen, grenzte für mich an ein achtes Weltwunder! Als ich dann auch noch ahnungslos nach seiner Zielzeit gefragt hatte, war ich fast vom Stuhl gekippt; er hatte allen Ernstes nur
drei Stunden
gebraucht. Und das fand er sogar
schlecht
! So viel also zum Thema ‚leider können wir nicht gemeinsam joggen‘. Bei Jamies Lauftempo würde ich vermutlich ohnehin nach wenigen Minuten mit einem Herzinfarkt zusammenbrechen. Ob er dann versuchen würde, mich wiederzubeleben?
Mhm
…
»Erde an Marie! Träumst du gerade von deinem Star oder warum guckst du so verklärt?«
»Haha«, erwiderte ich mit einem Augenrollen, um zu verbergen, dass Isa mich ertappt hatte. »Er ist kein
Star
mehr. Heutzutage kennt ihn doch kaum noch jemand. Vor allem nicht in Deutschland. In England hat er zwar einige Engagements und auch eine Agentur, die seine Fananfragen bearbeitet, aber ich glaube kaum, dass das noch allzu viele sein können …«
»Eine Agentur?«, fragte Isa stirnrunzelnd. »Und wieso hat er
dir
dann selbst zurückgeschrieben, wenn er doch andere für so etwas bezahlt?«
Ich erzählte ihr von der lieblosen Standardmail und meiner etwas zickigen Reaktion darauf, und wie nach und nach eine Freundschaft
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