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seinem Arbeitgeber sicherlich eine grandiose Provision einstreichen können.
Kasimir hatte seine großen, blauen Augen weit aufgerissen und strampelte in seinem Kinderbettchen aufgebracht vor sich hin. Vermutlich ärgerte er sich ebenso wie ich über die Geldverschwendung, die in diesem Zimmer des Vorortpalastes seiner Eltern ihren traurigen Höhepunkt gefunden hatte. Wie er so da lag und schrie, bekam ich aufrichtiges Mitleid mit ihm. Dass sein Papa ihn und seine Mutter weitestgehend ignorierte, war für den Wurm sicher auch nicht der beste Indikator für eine stabile Psyche.
Wann würde Isa endlich merken, dass ihr Traumschloss mitten in einem Tornadogebiet gebaut worden war?
Ich streckte meine Beine auf den warmen Holzfliesen meines Balkons aus und lehnte mich tiefer in den Gartenstuhl, den ich in Richtung der Morgensonne ausgerichtet hatte.
Endlich Urlaub!
Obwohl Ostern kurz bevor stand, hatte ich mir zwei Tage frei genommen, um dem nervenzehrenden Unmut in der Firma zu entkommen. Dass die Sonne so unbedarft auf mich herabschien, passte ganz wunderbar in den Plan, einfach mal abzuschalten und die freie Zeit zu genießen.
In den vergangenen zwei Stunden hatte ich jedoch zunächst mein kleines, gemütliches Reich aus seinem Winterschlaf holen müssen. Die nussbraunen Balkonmöbel standen nun wieder an ihren Plätzen,
die Fliesen waren gefegt und geschrubbt worden und ich hatte Blumendekorationen, Windlichter und Lichterketten rund um das Geländer und in meiner kleinen Sitzecke verteilt. Das Entspannen hatte ich mir nun redlich verdient – doch es fiel mir schwer.
Während ich ein wenig lustlos in mein gesundes Vollkornbrötchen mit dem nach Plastik schmeckenden Diätkäse biss, starrte ich auf den Bildschirm meines Laptops, auf dem Jamies Nachricht mich zu verhöhnen schien.
Betreff: A very good morning to you!
18. April um 01:49
Dear Marie,
du schläfst sicher schon, also wirst du meine Nachricht erst morgen lesen: Good morning! Ich bin eben aus South Shields zurückgekommen, wo ich ein wirklich fantastisches Wochenende erlebt habe. Es tat gut, im Sonnenschein am Strand entlang zu spazieren und das Meer und meinen Großvater wiederzusehen. Er ist neunzig geworden und sogar mein vielbeschäftigter Cousin hat es geschafft vorbeizuschauen. Den Samstagabend habe ich gemeinsam mit ein paar alten Freunden und meinem Cousin verbracht. Wir sind durch die Pubs gezogen, bis wiruns ein wenig angeschäkert am Strand niedergelassen haben – wo ich übrigens heute früh auch aufgewacht bin! Obwohl es zu dieser Jahreszeit an der Küste noch sehr kühl ist, war es eine der besten und lustigsten Nächte der letzten Jahre, für die ich gern auch ein paar Frostbeulen in Kauf genommen habe
Wie hast du dein Wochenende verbracht?
Hast du deine Freundin besucht, die, mit der es gerade nicht so gut läuft? Ich habe an dich gedacht und dir die Daumen dafür gedrückt, dass ihr euch wieder annähern könnt.
Mit deinen Kleiderentwürfen bin ich leider immer noch nicht durch … Ich hoffe, dass ich in der nächsten Woche dazu kommen werde, dir ein Feedback zu geben!
Enjoy your day,
Jamie
Es hätte mich freuen sollen, dass Jamie so ein tolles Wochenende gehabt hatte. Am Meer. Schließlich war er ein guter Freund und ich hätte ihm ein wenig Spaß abseits seines Arbeitstroubles gönnen müssen … Aber es wollten sich einfach keine positiven Gefühle einstellen.
nnnn
Seit meinem Gespräch mit Isa hatte ich intensiv über unsere E-Mail-Freundschaft nachgedacht und war zu dem Schluss gekommen, dass Jamie mich ganz bewusst auf Distanz hielt, während ich ihn bereits als engen Vertrauten wahrgenommen hatte. Ich fühlte mich veräppelt und war sauer auf mich selbst. Weshalb war mir nie aufgefallen, dass Jamie auch auf Nachfragen nie mit besonders viel Privatem herausgerückt war? Ich wusste nicht einmal, wo er arbeitete! War er nun hauptberuflich Sänger, Schauspieler oder gar etwas ganz anderes? Vermutlich hatte er sich bei diesen Themen absichtlich zurückgehalten, weil er nicht wollte, dass solche Informationen an seine
Fans
gelangten.
Allerdings gab es noch einen Grund für das Ziehen in meinem Magen: Und zwar ein Foto, auf dem Jamie letzte Nacht bei Facebook verlinkt worden war. Ich hatte nicht herumschnüffeln wollen,
natürlich nicht
, doch nachdem ich vor einer Stunde zum ersten Mal seine Nachricht gelesen hatte, hatte ich einen kurzen Blick auf seine Pinnwand werfen müssen. Nur um zu sehen, ob sich darauf etwas getan
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