Social Netlove
hatte es über die Grenze der Unverbindlichkeit hinaus geschafft. Meinem Ex-Verlobter war es gelungen, mir jede Hoffnung auf eine treue Männerwelt zu nehmen. Und so hatte ich meinerseits den einen oder anderen Mann vor den Kopf gestoßen – so wie Matze den Frauen.
Es dämmerte bereits, als er gestand, erst vor kurzem erkannt zu haben, dass es Zeit wurde, ruhiger zu werden und die Frau fürs Leben zu finden. »Jetzt hab ich dir von diesem ganze alte Kram erzählt. Du musst mich ja für en furchtbar rücksichtslose Kerl halte.«
»Ach was«, wiegelte ich ab. Ich hielt seine Offenheit eher für pfiffig, denn von einem ehemaligen Schulfreund wusste ich, dass der genau solche Geschichten benutzt hatte, um Mädchen für sich zu gewinnen. ‚Auf Ehrlichkeit stehen die Weiber‘, hatte er sich oftmals gefreut, wenn er mir von seinen Eroberungen erzählt hatte.
Und es stimmte ja wirklich: Ich für meinen Fall stand viel mehr auf Ehrlichkeit als auf wackelige Lügengebilde, die bei näherer Betrachtung mit der Wucht einer Sprengung in sich zusammenfielen.
»Beim nächsten Mal erzähle ich dir dann von meinen Schandtaten, abgemacht?«
»Beim nächste Mal?« Matze zwinkerte mir schelmisch zu. »Hab ich dich also wirklich nich verschreckt?«
»Nein. Im Gegenteil«, antwortete ich lächelnd.
Vielleicht war Matze ja wirklich der Richtige, um mich abzulenken und mich aus meinem Alptraum aufzuwecken.
Betreff: Wake with nothing but anguish
30. Mai um 08:32
Marie,
ich wünsche dir einen guten Montagmorgen.
Ich bin heute erleichtert aufgewacht, weil ich dachte, das vergangene Wochenende wäre nur ein furchtbarer Alptraum gewesen, doch dann habe ich festgestellt, dass du wirklich weg bist. Nicht nur weg aus London, sondern auch aus meinem Nachrichten-Postfach. That's anguish. Das ist eine Qual für mich. Vielleicht denkst du, ich hätte das verdient … Gut. Dann warte ich, bis du der Auffassung bist, ich hätte lange genug gelitten. Aber vergiss nicht, mir steht noch Jammerguthaben zu. Und das würde ich nun gerne gegen Verständnisguthaben eintauschen.
Thinking of you,
Jake
Betreff: So not over you
02. Juni um 19:32
Es tut weh, Marie. Jeden Morgen, jeden Mittag, jeden Abend. Ich kann nicht damit leben, dass du mich so konsequent ignorierst. Ja, ich habe einen Fehler gemacht, vermutlich sogar einen sehr großen – doch es war keiner, den man nicht mit etwas Wohlwollen verzeihen könnte. Es ist doch völlig egal, ob ich Jake, Jamie oder Andrew heiße. Was zählt, ist doch der Mensch an sich: Die Persönlichkeit. Die Seele. Das Karma.
Willst du sagen, das alles hat wegen eines Namens seine Bedeutung verloren?
Betreff: Time goes by …
08. Juni um 19:51
… und du tust immer noch so, als existiere ich in deiner Welt nicht mehr. Bitte Marie, wie soll ich dein Vertrauen zurückgewinnen, wenn du nichtmit mir sprichst?
Miss your voice and your smile …
***
»So, ich bin dann mal weg«, rief ich in das halbleere Büro hinein. Die meisten meiner Kollegen waren schon im Feierabend und nur Norbert, Doris und Franziska brüteten noch über ihren abzuarbeitenden Clippings. Seit unsere Auszubildende mich als ihre Feindin betrachtete, ließ sie sich vorzugsweise von Norbert Arbeit geben, anstatt sich von mir die interessanteren Online-Aufträge abzuholen. Das kam mir derzeit auch sehr gelegen: So hatte ich mehr zu tun und weniger Zeit dazu, meinem gedanklichen Leerlauf nachzuhängen. Seit mich ‚Jamies‘ Nachrichten nicht mehr vom tristen Arbeitsalltag ablenkten, fiel es mir ohnehin schwer, mich morgens aus dem Bett zu quälen und meine Stunden hier abzusitzen.
Ich sah auf die Uhr.
Nach fünf
. Bald würde ich wieder eine Nachricht bei Facebook bekommen, wie jeden Abend. Ich hatte keine Ahnung, was Jake damit bezwecken wollte, mich immer wieder um Verzeihung zu bitten, denn so langsam musste er doch begriffen haben, was es bedeutete, dass ich ihm nicht antwortete.
Wann immer ich Post von Jake Baker erhielt, blieb mein Blick an seinem Foto hängen. An den nussbraunen, bestechend schönen Augen und dem verhaltenen, attraktiven Lächeln, das sich über die glattrasierten Wangen schob. Die Erinnerungen an seine Umarmung, sein Lachen und seinen sanften Kuss drang immer wieder aus der hintersten Ecke, in die ich sie verfrachtet hatte und mit ihnen überkam mich das Gefühl zu fallen.
Offenbar hatte ich Jake noch lange nicht überwunden, doch dank Matze war ich auf dem besten Weg dorthin, dessen war ich mir sicher.
»Schönen
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