Social Netlove
träumerisch. Die fremde Frau mit den großen blauen Augen in Jamies Armen ließ mich plötzlich völlig kalt. Glücklich sahen sie aus. Verliebt.
Betrübt öffnete ich noch ein Mal Jakes Nachricht.
Marie … Ich denke, ich liebe dich
. Wie konnte er so etwas schreiben? Wenn es denn wirklich so gewesen wäre, warum hatte er mir so lange etwas vorgemacht? Spätestens als ich ihm vorgeworfen hatte, er öffne sich mir nicht richtig, hätte er ehrlich sein müssen. Eine bessere Vorlage hätte ich ihm doch gar nicht liefern können.
Stattdessen hatte er mich weiterhin angelogen, mir von seinen Fans erzählt und von seinem Cousin, der ihm die Frauen ausspannte.
Hatte er damit etwa Jamie gemeint?
Ich starrte auf Jakes Nachricht und stutzte plötzlich. ‚Yours, Jake‘. Es war nicht der Name, der ungewohnt war, sondern dass er diesmal nicht einfach nur mit ‚J.‘ unterschrieben hatte. In meiner Verblendung war mir nie aufgefallen, dass ‚Jamie‘ irgendwann zu einem einzigen Buchstaben geworden war. Es war mühsam und schmerzhaft, doch ich stöberte so lange in unseren alten Nachrichten herum, bis ich die erste Nachricht fand, die nach den ersten zwei Mails am Anfang unseresE-Mail-Kontaktes wieder mit ‚J.‘ unterzeichnet war. Sie stammte von dem Tag, an dem Jake mir endlich Details aus seinem Leben erzählt hatte. Vom Meer, von seinem Großvater und von seiner besten Freundin Julie. War dies seine Art gewesen, sich endgültig von der Figur Jamie zu distanzieren, die er bis dahin verkörpert hatte?
Warum machst du dir darüber Gedanken? Vergiss ihn
, sagte mein Verstand und zwang mich dazu, den Laptop herunterzufahren.
Er ist nicht gut für dich – oder möchtest du unbedingt nochmal verletzt werden?
Eben
.
Aber leider hatte ich keine Ahnung, was ich sonst mit mir anfangen sollte, wenn ich nicht an Jake denken durfte. Nach den vielen Wochen, in denen ich jede freie Minute am Computer verbracht hatte, war ich zu einer einsamen Stubenhockerin mutiert.
Ich starrte eine gefühlte Ewigkeit einen winzigen Weinfleck auf meinem Teppichboden an, dann kamen mir Thomas' Worte in den Sinn: Gegen eine Enttäuschung half am besten etwas Ablenkung.
Oder nicht?
***
»Ich war ehrlich gesagt etwas überrascht, dass du dich plötzlich doch mit mir treffe wolltest.« Matze lächelte verhalten und stellte sein Cocktailglas auf dem Tisch ab. Nachdem wir uns in einem Café an der Alster getroffen und in den letzten zwanzig Minuten nur über belangloses Zeug geredet hatten, wurde Matze nun ernst. Er räusperte sich und seine taubenblauen Augen wichen meinen aus.
»Ich mein, nachdem du dich drei Woche lang nich gemeldet hast, dacht ich eigentlich, du hättest kein Interesse mehr daran, mich besser kennenzulerne.«
Es war irgendwie niedlich, wie dieser so selbstbewusst wirkende Mann mir gegenüber saß und seine Unsicherheit mit seinem hessischen Dialekt ganz offen zur Schau stellte. So ein ehrlicher Mann würde einen kaum anlügen oder einem wochenlang etwas vorspielen, nicht wahr?
»Naja, ich hatte viel zu tun in letzter Zeit«, sagte ich vage. »Aber ich habe dich trotzdem nicht vergessen.«
Ein erfreutes Leuchten huschte über Matzes Gesicht und sofort sackte meine gelassene, toughe Hülle wieder in sich zusammen. Ich konnte ihn nicht anlügen. »Um ehrlich zu sein, gab es einen anderen«, erklärte ich und versuchte vergeblich, den traurigen Klang in meiner Stimme abzuschütteln. »Aber das ist vorbei. Ich hoffe, dubist nicht böse, weil ich dich erst heute angerufen habe. Ich wollte jetzt irgendwie nicht alleine sein.«
»Es ist mir egal,
warum
du angerufe hast. Ich freu mich drüber, dass wir jetz hier sind und zusamme den Abend genießen könne.« Matze lächelte aufmunternd. »Willst du drüber rede? Über deinen Ex?«
»Er war nicht … Also, wir waren nicht zusammen«, antwortete ich schnell. »Es war mehr eine Bekanntschaft. Nichts Ernstes. Ich habe nur meine Zeit verschwendet.«
»Des kenn ich«, seufzte Matze.
»Und, möchtest
du
drüber reden?«, fragte ich halb im Scherz. Doch tatsächlich legte Matze seinen Kopf schief und murmelte: »Wo soll ich denn da nur anfange?«
»Das klingt ganz nach mir.« Ich grinste wissend und dann erzählte Matze mir von seinen letzten Beziehungen, die eher als Affären durchgingen, leidenschaftlich und heftig, doch nur von kurzer Dauer. Ich hörte ihm zu und erkannte mich an manchen Stellen wieder. Nach dem Fiasko mit Till hatte auch ich einige Affären gehabt, aber keine
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