Social Netlove
meines Pullovers über die Wangen und registrierte erst jetzt, dass ich noch immer Jakes Sweatjacke trug. Benommen legte ich den dunklen Stoff auf mein Gesicht und schloss die Augen. Immer und immer wieder ließ mich der limettenartige Geruch unseren Kuss durchleben.
Warum nur hatte Jake mir das angetan?
Wehmütig zog ich mein Handy aus der Hosentasche und betrachtete die Nachrichten, die er mir seit dem Mittag geschickt hatte. Es waren über ein Dutzend und mindestens doppelt so oft hatte er versucht mich anzurufen.
Marie, I'm so sorry! Please … Es tut mir Leid. Bitte melde dich bei mir!
Marie, bist du noch in London? Bitte gib mir eine Chance, dir zu beweisen, dass du mir sehr, sehr wichtig bist. Miss your voice and your smile …
Du musst mir glauben, dass ich dir die Wahrheit sagen wollte. Aber irgendwann kam ich einfach nicht mehr aus dieser Nummer heraus. Ich wünschte, ich könnte meine Lüge ungeschehen machen.
Ich schnaubte verächtlich und wischte die Tränen weg, die nun wie von einem Sturm gepeitscht aus meinen Augen rannen. Jake glaubte doch wohl nicht, dass ich auf dieses Gesülze hereinfallen würde, nur damit er weiterhin mit mir spielen konnte. Wahrscheinlich ertrug er es nicht, dass sein Cousin so ein umschwärmter Sänger gewesen war und rächte sich nun mit dieser kranken Nummer an Jamie und dessen Fans.
Und an mir.
Verdammt, wie hatte ich nur eine Sekunde ernsthaft denken können,
Jamie Baker
könnte irgendein Interesse an mir als seiner Internet-Freundin haben?
Und wie hatte ich mein Herz überhaupt an diesen Mistkerl verlieren können?
Pah … Jake
.
Ich wollte diesen Namen nie wieder hören.
***
»Ich hatte von Anfang an ein schlechtes Gefühl bei der Sache«, sagte Thomas und lehnte sich auf seinem klapprigen Stuhl nach vorne.
»Jaja«, murmelte ich schlechtgelaunt und gab den Kampf mit meinem Marmeladenbrötchen auf. Ich hatte zwei Mal davon abgebissen und nun war mir übel – alles in mir schien sich dagegen zu wehren, meinen Körper wieder kräftig und wach werden zu lassen. Am liebsten wollte ich einfach nur schlafen. Heute, morgen, übermorgen.
So lange, bis es nicht mehr wehtat. Bis Traurigkeit und Wut in Gleichgültigkeit umgeschlagen waren und ich über diese Erfahrung lachen konnte.
Ha-Ha
.
»Immerhin hatte er wirklich etwas mit diesem Jamie zu tun. Stell dir mal vor, er wäre ein Fremder gewesen, der sich eine komplett erlogene Existenz aufgebaut hätte. So einer hätte dich sicher nicht einfach wieder abhauen lassen.« Thomas verzog das Gesicht. Offenbar dachte er gerade daran, dass ich in diesem Moment tot über einem Zaun hätte hängen können. Das hatte er mich in den vergangenen zwei Stunden, seit er mit frischen Brötchen und Croissants bei mir aufgetaucht war, nämlich schon mehrmals vorwurfsvoll wissen lassen.
»Für mich
ist
er ein Fremder.«
»Schon, aber ich meine damit, dass er ja anscheinend offiziell im Namen von Jamie Baker geantwortet hat. Was sagtest du, dieser Jake ist Werbe- und PR-Berater?«
»Kann sein«, murmelte ich düster und blinzelte eine Träne weg. »Nur weil er das gesagt hat, muss es ja nicht stimmen.«
»Naja, wenn es sein Job ist, solche Profile zu betreuen, kann er natürlich nicht mit seinem eigenen Namen unterschreiben.«
»Was soll das denn jetzt?«, fragte ich eine Spur zu laut und war mit einem Schlag hellwach. »Willst du ihn loben, weil er sich beruflich korrekt verhalten hat?!«
»Nein, ich meine ja nur.« Thomas strich sich durch die schwarzbraunen Haare und nickte in Richtung meines Handys auf dem Balkontisch.
»So oft wie in den letzten Stunden dein Handy geblinkt hat, scheint er es mit seiner Entschuldigung immerhin ernst zu meinen.«
»Die kann er sich sonst wohin stecken.«
Ich griff nach dem Kaffee, den Thomas vorhin in meiner Küche gebrüht hatte. Er sah aus wie schmutziges Wasser aus einem Tümpel und genauso schmeckte er auch. Schnell versenkte ich zwei Stücke Würfelzucker darin und rührte sie scheinbar konzentriert unter.
»Vielleicht seht ihr Männer das anders, aber für mich sind zwei Monate voller Lügen nichts, was man mit einer einfachen Entschuldigung wieder gutmachen könnte. Jake hat mir die ganze Zeit über vorgespielt, er wäre Jamie Baker, hat mir von seinen Groupies erzählt und was weiß ich. Wahrscheinlich hat er sich alles, was er mir geschrieben hat, nur ausgedacht. Die Person, die ich treffen wollte, existiert überhaupt nicht.«
Thomas nickte nachdenklich. »Für die Liebe
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