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Söhne der Erde 01 - Unter dem Mondstein

Söhne der Erde 01 - Unter dem Mondstein

Titel: Söhne der Erde 01 - Unter dem Mondstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne U. Wiemer
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funkelnden Lichter in der Finsternis, die der Mann aus der Sternwarte -Weltraum« genannt hatte. Raum, wiederholte er in Gedanken. Genauso hatte er es empfunden: nichts, das auch nur im entferntesten an die Kuppel erinnerte, die seine eigene Welt umschloß, sondern endlose, unbegrenzte Weite. Immer schon hatte er sich zwischen den Flammenwänden gefangen gefühlt. Und jetzt, das wußte er, würde ihn die Sehnsucht nach diesem unendlichen Raum nie mehr loslassen, und wenn er noch hundert Jahre lebte.
    Aber er würde keine hundert Jahre mehr leben.
    Nicht hier...
    Er brauchte Glück, um die nächste Stunde zu überstehen. Wenn er Mornag erreichte, war er den Tag über sicher. In der nächsten Dämmerung würden die Priester die schwarzen Götter anrufen, um sich den richtigen Weg offenbaren zu lassen. Und die Offenbarungen dieser vermeintlichen Götter waren immer gleich, sie verlangten stets ein Opfer, und diesmal würde es sicher wieder ein Menschenopfer sein.
    Charru schöpfte noch einmal Wasser, säuberte endlich die Wunde an seiner Schulter und rieb sich flüchtig das getrocknete Blut vom Körper. Vorsichtig schlich er bis zum Grat und spähte über die Felsen ins Tal hinunter.
    Der Tempel und die Stadt lagen still in der Morgendämmerung. Irgendwann mußten auch die Priester schlafen, und in der vergangenen Nacht hatten sie wohl genug an Aufregung gehabt.
    Was würden sie sagen, wenn sie je erfuhren, daß ihre schwarzen Götter nur Lakaien einer anderen Rasse waren?
    Daß ihre Welt ein Schaustück, ein Spielzeug war in einer unendlich viel größeren anderen Welt, in einer grenzenlosen Weite, von der sie nicht einmal träumten?
    Auch die Priester waren nur Opfer, erkannte Charru plötzlich. Sie fürchteten ihre Götter, und es war die Angst, die sie grausam und despotisch machte. Die Tempeltal-Leute und die Bewohner des Tieflands teilten das gleiche Gefängnis miteinander. Sie waren nicht Feinde, sondern Brüder, sie...
    Brüder?
    Die Priester und die Tiefland-Stämme? Der bestürzende Gedanke ließ Charru innehalten. Deutlich glaubte er wieder, Arliss' Gesicht vor sich zu sehen. Er wußte, daß er niemals aufhören würde, Bar Nergal zu hassen, daß er sich niemals als Bruder der Priester fühlen konnte - und doch wußte er, daß es trotz allem die Wahrheit war.
    Nicht Bar Nergal hatte Arliss ermordet, auch wenn er es gewesen war, der das Messer führte.
    Jene Fremden trugen die Schuld. Der silberhaarige Mann, der Jessardin hieß. Der andere mit dem Namen Nord. Der eifernde schwarzhaarige Zwerg, den sie Professor nannten...
    Sie waren die Feinde.
    Und wenn die Menschen unter der blauen Kuppel jemals das Joch abschütteln und ihre Freiheit gewinnen wollten, dann mußten sie sich zusammenschließen und ihre eigenen Feindschaften vergessen.
    Mit einem tiefen Atemzug überkletterte Charru den Grat und glitt in den Schatten zwischen den Felsen.
    Er schlug einen Bogen, überquerte das Plateau in unmittelbarer Nähe der Feuerwände. Als er sich der winzigen Flämmchen erinnerte, die er von außen gesehen hatte, kämpfte er einen Augenblick gegen das Gefühl, das alles könne nur ein Traum gewesen sein. Aber es war kein Traum gewesen. Es war Wirklichkeit, eindeutig und unabweisbar, und Charru wußte zumindest eins: daß die Stämme ihm glauben würden, auch wenn sie die Wahrheit nicht begreifen konnten.
    Am Rand des Plateaus stieß er auf zwei Wächter.
    Sie wandten ihm den Rücken zu, blickten über die Ebene, und er konnte sie niederschlagen, ohne daß sie ihn zu Gesicht bekamen. Wahrscheinlich würden sie sich später darauf einigen, den Zwischenfall zu verschweigen -jedenfalls, wenn sonst niemand Alarm schlug. Charru stieg in den tiefen Felsspalt ein, wo die Hitze des Gesteins gerade noch erträglich war. Der rote Flammenschein mischte sich mit dem blauen Leuchten der Kuppel zu einem violetten Dunst. Über dem Tiefland lagen noch dunkle Schatten, und jenseits des Waldgürtels glommen die Lagerfeuer wie Funken.
    Keiner der Krieger hielt in dieser Nacht am Fuß der Felswände und der Mauer Wache.
    Vielleicht hatten sie Angst. Arliss war geopfert worden, ihn, Charru, hielten die Priester für tot - jetzt mochten sie fürchten, daß die Stämme einfach jeden niedermachen würden, dessen sie habhaft werden konnten. Eine Furcht, die wieder neue Gewalttaten heraufbeschwören würde. Was sie als Gefahr ansahen, pflegten die Priester gnadenlos auszurotten - und sie würden sich sicher nicht lange damit Zeit lassen.
    Charru

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