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Söhne der Erde 01 - Unter dem Mondstein

Söhne der Erde 01 - Unter dem Mondstein

Titel: Söhne der Erde 01 - Unter dem Mondstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne U. Wiemer
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atmete auf, als er die Wand hinter sich hatte und in den Schatten eines Felsblocks glitt.
    Reglos blieb er stehen und nahm das vertraute Bild der Ebene in sich auf. Sein ganzes Leben hatte er hier verbracht. Er liebte das Tiefland. Aber jetzt zum erstenmal begriff er ganz klar, daß es immer die Weite gewesen war, die er daran liebte, und daß er jene andere, neue Weite, die er gesehen hatte, mehr lieben würde.
    Langsam ging er weiter, geschickt jede Deckung und jede Schatteninsel nutzend, um nicht doch noch entdeckt zu werden.
    Niedriges Gebüsch nahm ihn auf, dann erreichte er die Felsen, zwischen denen die Quelle entsprang. Weiden säumten den Bach, zusammengekauert wie bucklige Gnomengestalten. Charru blieb stehen und hielt den Atem an. Er fühlte, daß er nicht allein war. Sekundenlang lauschte er gespannt - dann hörte er einen leisen, klingenden Ton, wie ihn nur eine Grasharfe hervorbrachte.
    »Camelo«, flüsterte er.
    »Charru!«
    Die Stimme klang erstickt. Wie ein Schatten schnellte ein paar Schritte neben ihm eine Gestalt empor, dann standen sie sich gegenüber und drückten sich schweigend die Hände.
    »Charru! Die halbe Bevölkerung des Tempeltals schrie die ganze Nacht herum, du seiest tot und mit dem Fluß über die Kante gestürzt.«
    »Ja...«
    Camelo starrte ihn an.
    »Was heißt das - ja?« fragte er tonlos.
    »Ich bin über die Kante gegangen. Und ich lebe noch, wie du siehst. Aber hol zuerst Gerinth und die anderen hierher.«
    »Hierher?« echote Camelo überrascht.
    Charru lächelte matt.
    »Ja, hierher«, sagte er leise. »Es ist wichtig. Du wirst es verstehen, wenn ich alles erzählt habe.«
    *
    Simon Jessardin schaltete den Monitor in seinem Büro ab. »Zweihundert Jahre alte Technik«, meinte er unwillig. »Die Bildqualität läßt sehr zu wünschen übrig.« Dann wandte er den Kopf und lächelte. »Aber Sie sehen, Ihr Schützling hat es geschafft, Conal. Sein Abgang scheint die Priester doch ziemlich beeindruckt zu haben.«
    Der Venusier saß ihm gegenüber auf dem Drehsessel vor dem Fernsehschirm. Er hielt ein Glas in der Hand, in dem Wein aus den Treibhäusern der Garrathon-Berge funkelte.
    »Was bringt Sie darauf, ihn meinen Schützling zu nennen, Simon?«
    »Entschuldigen Sie.« Jessardin tippte ein, paar Anweisungen auf die eckige Scheibe des Informators, die dem Verwaltungsdiener im Vorzimmer galten. »Aber es ist doch richtig, daß Sie in den letzten Tagen gewisse Vorbehalte gegen das Projekt Mondstein entwickelt haben, nicht wahr? Oder soll ich sagen, ein gewisses Mitgefühl mit den Betroffenen?«
    »Mitgefühl? Es geht eher um das Prinzip, der Rechtsstaatlichkeit. Im übrigen wußten Sie vorher, daß er entkommen würde, oder?«
    »Ah, nein! Aber es spielt keine Rolle - über kurz oder lang werden ihn die Priester doch töten. Das ist Naturgesetz, mein Freund. Eins der Naturgesetze, die unter dem Mondstein gelten und die wir studieren, meine ich.«
    Conal Nord lehnte sich zurück. »Vermutlich«, sagte er langsam. »Ich frage mich nur, was diese Gesetze bestimmt. Die Natur der Menschen? Oder die zweifelhafte Natur ihrer Umgebung?« Eine steile Falte erschien auf Simon Jessardins Stirn. »Ihre Umgebung entspricht den irdischen Verhältnissen etwa tausend Jahre vor der großen Katastrophe.«
    »Tatsächlich? Sollten damals auf der alten Erde schwarze Götter aus irgendwelchen Felswänden hervorgetreten sein, um den Menschen unsinnige Befehle zu geben?«
    »Sie sind ein Zyniker, Conal.«
    »Durchaus nicht«, sagte der Venusier mit einem ungewohnten Unterton von Schärfe.
    »Dann scheinen Sie nicht begriffen zu haben.« Jessar- Asketengesicht wurde hart, er ließ die flache Hand auf den Schreibtisch fallen. »Die irdischen Verhältnisse vor der Katastrophe dürfen nicht in Vergessenheit geraten, Conal. Verstehen Sie nicht, wie wenig es uns nützen würde, unter dem Mondstein eine Welt des Friedens und des Glücks zu kultivieren? Es sind die Mechanismen von Krieg und Gewalt, die wir studieren, und zwar nicht zum Vergnügen, wie Sie sehr wohl wissen. Wir müssen die aggressiven Verhaltensmuster in allen ihren Variationen sehr genau kennen, um in unserer Welt den Anfängen wehren zu können. Wie wollen Sie herausfinden, welche Gründe Menschen dazu bringen, Vernichtungskriege zu führen, wenn Sie nicht bereit sind, mit eben diesen Gründen zu experimentieren?«
    »Auf Kosten anderer?«
    »Auf Kosten anderer! Einiger weniger, die der Wissenschaft zu dienen haben! Ihr Mitgefühl in Ehren,

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