Söhne der Erde 01 - Unter dem Mondstein
dessen Worte für ihn. Sternwarte... Er starrte die durchsichtige Kuppel an, die den Blick auf jene andere, geheimnisvollere Kuppel freigab.
»Was sind das für Lichter?« wollte er wissen.
»Lichter? Das sind Sterne, der Weltraum...
»Sag' mir, was das für ein Land ist!«
»Der Mars natürlich. Einer der Vereinigten Planeten.« Der alte Mann antwortete aus reiner Verblüffung, und erst mit Verspätung wurde ihm die Unmöglichkeit bewußt, daß jemand ernsthaft danach fragte. Seine Augen flackerten auf. »Du... du bist aus dem Mondstein geflohen«, stammelte er.
»Mondstein?«
Der Alte machte eine Bewegung, als wolle er aufspringen, und sank dann kraftlos und zitternd auf seinen Platz zurück. Charrus Kopf schwirrte. Er wollte etwas fragen und in der gleichen Sekunde hörte er über sich ein dünnes, gleichmäßiges Zischen.
Die Luft begann zu flimmern.
Ein seltsamer, süßlicher Geruch breitete sich aus. Charru spürte die Gefahr mit jeder Faser.
»Was ist das?« stieß er hervor. »Rede!«
»Schlafgas«, flüsterte der alte Mann mit bleichen Lippen. » Es nützt dir nichts, wenn du mich umbringst.«
Charrus Vorstellungskraft reichte nicht aus, um die Natur der neuen Bedrohung zu erfassen.
Zu spät versuchte er, eine der Türen zu erreichen. Die Umgebung verschwamm, der schimmernde weiße Boden raste auf ihn zu, und die Strahlenwaffe entglitt seinen plötzlich kraftlosen Fingern.
*
Er war nicht bewußtlos, nur benommen und wie gelähmt.
Während sie über ihn herfielen, ihn fesselten und wegschleppten, versuchte er mit geschlossenen Augen, einen klaren Gedanken zu fassen. Schlafgas... Sie hatten ihn betäuben wollen, aber sie hatten es nicht ganz geschafft, vielleicht weil er widerstandsfähiger war als sie. Das war gut so. Vielleicht konnte er sie täuschen, vielleicht...
Sein Kopf schlug gegen etwas Hartes, und für eine Weile wurde es wirklich schwarz um ihn.
Als er wieder zu sich kam, lehnte er mit gefesselten Armen auf einem fremdartigen Möbelstück. Es war weich und angenehm. Genauso weich und angenehm wie das Licht der leuchtenden Wände, das ihn umgab.
Seine erwachenden Sinne sagten ihm, daß zwei oder drei Männer unmittelbar hinter ihm standen. Immer noch mit geschlossenen Augen bewegte er die Hände, spannte die Muskeln und zerrte an den Fesseln, bis seine Gelenke wie Feuer brannten. Hoffnungslos, sah er ein. Was immer es war, er konnte es nicht zerreißen.
»Er ist wach«, hörte er eine Stimme, die er kannte.
Ruhig öffnete er die Augen.
Ein paar Meter von ihm entfernt hinter einem Tisch saß der Mann mit dem kurzen silbernen Haar, den er in der Halle gesehen hatte. Charru betrachtete das straffe, hagere Gesicht, die hellen Augen, die schmale, gebogene Nase. Auch der andere war da, der blonde Mann in der grauen, lose fallenden Robe. Er lehnte mit verschränkten Armen an der Wand, und beide starrten den Gefangenen an wie - ja, wie man ein seltenes Tier anstarren mochte.
Oder wie sie in die Halbkugel gestarrt hatten. In die gespenstische Spielzeugwelt, in der ein Volk von Verdammten kämpfen und sterben mußte.
»Unglaublich«, sagte der Silberhaarige langsam. »Er hat nicht nur den Mondstein verlassen, sondern auch den Weg durch den Tunnel gefunden. Wissen Sie, wo wir ihn aufgesammelt haben, Professor? In der Sternwarte, mit einem Laser-Gewehr bewaffnet. Können Sie mir das erklären?«
Der Angesprochene trat erst jetzt in Charrus Blickfeld: ein kleiner Mann mit glattem schwarzen Haar, der das gleiche mattrote Trikot trug wie der Alte in der Sternwarte, dazu einen silbernen Gürtel. Sein Gesicht war blaß, die Stimme zitterte.
»Ein unvorhersehbarer Zufall, mein Präsident! Ich habe dafür gesorgt, daß der Raum mit dem Auffangbecken durch eine Stahltür verschlossen wurde. Dergleichen wird sich nie mehr wiederholen.«
Charru biß die Zähne zusammen.
Bitterkeit überflutete ihn. Er hatte den Weg gefunden nun war er für immer verschlossen. Der einzige Weg, der...
Wirklich der einzige Weg?
Sein Herz übersprang einen Schlag. Er wußte plötzlich, daß es noch einen anderen Weg gab, einen Weg, an den niemand je gedacht hatte und an den auch diese Fremden nicht dachten...
»Und was machen wir mit ihm - jetzt, da er einmal hier ist?« fragte der Silberhaarige langsam.
»Wir können ihn nicht am Leben lassen«, stellte der Mann in Rot fest.
»Was meinen Sie, Nord?«
Nord war der Name des blonden Mannes, der an der Wand lehnte. Charru hatte die ganze Zeit über seinen Blick
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