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Söhne der Erde 02 - Der Rote Kerker

Söhne der Erde 02 - Der Rote Kerker

Titel: Söhne der Erde 02 - Der Rote Kerker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne U. Wiemer
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Stück von der zuckenden Kehle zurück.
    »Wer bist du?« fragte er hart.
    Der Liquidationschef starrte wie hypnotisiert in die saphirblauen Augen.
    »J-John Rouver«, stammelte er.
    Charru nickte. Die Spitze seines Schwerts rührte sich nicht von der Stelle.
    »Hör zu, John Rouver«, sagte er schneidend. »Dein Leben liegt in deiner eigenen Hand. Du wirst mich an mein Ziel bringen oder sterben. Und zuerst wirst du mir alles erzählen, was es über dieses Labyrinth hier zu wissen gibt.«
    *
    In der lastenden Stille hörte Jarlon von Mornag nur das Schlagen seines eigenen Herzens.
    Er lehnte an einer grauen Wand, erschöpft nicht nur von der Flucht vor den bewaffneten Wächtern, sondern mehr noch von der Panik, der Verwirrung, dem verzweifelten Bemühen, die Geschehnisse zu begreifen. In dem Raum hinter der geschlossenen Tür war etwas Unerklärliches vorgegangen. Zuerst die Stimme aus dem Nichts. Dann hatten die Geräusche verraten, daß der Raum verlassen wurde. Einfach so ohne Gegenwehr, ohne Kampf, in gespenstischer Ruhe und Ordnung.
    Warum?
    Wohin gingen die Menschen - oder wohin brachte man sie? Jarlon war durch das Gewirr der Gänge gerannt, hatte verzweifelt versucht, auf die andere Seite des verlassenen Raums zu gelangen, war dann auf Wächter gestoßen, die ihn entdeckten. Die Panik ließ ihn minutenlang wie ein gejagtes Tier erscheinen, doch hier gab es keine dunklen Winkel, in die man sich verkriechen konnte. Er wußte nicht mehr, wie er entkommen war. Er, wußte auch nicht, wo er sich befand. Schwer atmend lehnte er an der Wand und versuchte, des Aufruhrs in seinem Innern Herr zu werden.
    Er mußte Charru finden.
    Oder Gillon, Kormak und Shaara.
    Einen Augenblick lauschte er, aber die Stille war vollkommen. Jarlon biß die Zähne zusammen und stieß sich von der Wand ab. Er ahnte, was geschehen war. Im Tempeltal hatten die Priester betäubende Pflanzen gekannt und manchmal Feuer entzündet, deren Rauch die Sinne verwirrte und die Menschen in einen Taumel versetzte. Sicher gab es auch Mittel, die den Willen der Opfer lähmten, sie zu Puppen machten, die jedem Befehl gehorchten.
    Langsam ging Jarlon weiter.
    Er war allein, und er fürchtete sich. In Mornag hatte er sich als Mann gefühlt, aber Mornag existierte nicht mehr. Er wünschte sich zurück, so wie er sich früher manchmal in seine Kindheit zurückgewünscht hatte. In Mornag war die Welt einfach und überschaubar gewesen. Man hatte gewußt, wogegen man kämpfte und...
    Und daß es sinnlos war!
    Der Junge blieb stehen, weil der Gedanke ihn wie ein Schock traf. Sinnlos, ja! Es war immer der gleiche Kampf gewesen, immer die gleiche Bedrohung, der sie nicht entrinnen konnten. Die blaue Kuppel und die Flammenwände hatten sie an ihren Platz gefesselt, ihr Geschick mit dem der Priester verbunden und den Krieg verewigt. Nun war die Kuppel zerbrochen. Er, der jüngste der Tiefland-Krieger, fast noch ein Kind, hatte die Schrecken der Katastrophe empfunden, die überwältigende Fremdartigkeit der anderen Welt und auch die Lockung des Abenteuers. Aber erst jetzt, allein in einem schimmernden, bedrohlichen Labyrinth, begriff er plötzlich, daß er frei war.
    Die Tiefland-Stämme brauchten die Priester nicht mehr zu fürchten.
    Charru würde sie an einen Platz führen, wo sie endlich in Freiheit leben konnten. Noch mußten sie kämpfen, gegen mächtigere Feinde als je, aber in dieser neuen, unendlich großen Welt war der Kampf nicht mehr sinnlos und der Frieden kein unerfüllbarer Traum mehr.
    Jarlon atmete tief.
    Die Angst erlosch nicht, aber als er weiterging, erfüllte ihn ein seltsames Gefühl des Gleichmuts, eine Gewißheit jenseits aller Zweifel. Sein eigenes Schicksal zählte nicht. Es war die Zukunft seines Volkes, die auf dem Spiel stand, und was er tun konnte, würde getan werden.
    Später wußte er nicht mehr wie lange er durch den riesigen Gebäudekomplex geirrt war.
    Mehrmals stieß er auf die gläsernen Transportschächte, vor denen er zurückscheute, weil sie ihm unheimlich waren. Dann machte er sich klar, daß es unsinnig war, seine Suche auf das unterste Stockwerk des Riesenbaus zu beschränken. Er ging auf eine der durchsichtigen Röhren zu, die sich vor ihm öffnete, betrat die Plattform und ließ sich schwindelnd nach oben tragen.
    Neue Flure.
    War es überhaupt möglich, daß sich Menschen in diesem Gewirr zurechtfanden? Ihm hätte nicht einmal ein Gebäudeplan genutzt, denn er wußte nicht, welchen Platz er suchen mußte. Er konnte nur

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