Söhne der Erde 02 - Der Rote Kerker
Plattform. Überrascht wandten sie die Köpfe, als der Akolyth in seiner blauen Kutte hinter ihnen durch die Öffnung schlüpfte. Seine Lippen zitterten, das junge Gesicht brannte.
»Fürst...« brachte er heraus.
»Ich bin kein Fürst mehr«, sagte Charru ruhig. »Genauso wenig, wie du noch ein Priester bist. Das ist vorbei.«
»Ja... Ich habe es verstanden.« Die Stimme klang tonlos, aber entschlossen. »Ich habe auch verstanden, daß ich Bar Nergal nicht mehr dienen muß. Ich will mit euch kämpfen. Ich will nicht mehr zu Bar Nergal gehören.«
Charru nickte.
Vor ihnen öffnete sich der Transportschacht, lag ein neuer Gang. Der Akolyth stolperte hinaus, offenbar wild entschlossen, sich jeder Gefahr ganz allein entgegenzuwerfen. Mit einem Lächeln legte Charru dem Jungen die Hand auf die Schulter.
»Danke, Ayino. Aber bleibe jetzt bei den anderen. Es ist sinnlos, ohne Waffe zu kämpfen.«
Einer nach dem anderen verließ den Schacht.
Zuletzt kamen Beryl und Erein, die Lasergewehre in den Fäusten. Charru und Camelo wandten sich bereits ab, um weiterzuhasten. Das war der Augenblick, als irgendwo über ihnen ein langgezogener, schriller Heulton die Stille zerriß.
Ein Alarmton, kein Zweifel!
Charru zuckte heftig zusammen, doch er faßte sich sofort wieder. »Schnell!« rief er über die Schulter. »Immer geradeaus! Hinter der Tür am Ende des Flurs führt ein Transportband ins Museum, und dessen Ausgang kennt ihr. Falls wir getrennt werden, versucht jeder, sich zu den leeren Häusern am Kanal durchzuschlagen.«
Er rannte weiter, ohne eine Antwort abzuwarten.
Sie durften nicht getrennt werden, schon deshalb nicht, weil sie alle nur einen einzigen Weg nach draußen kannten. Aber wenn sie auf bewaffnete Wächter stießen, würden Charru und Camelo die ersten sein, die fielen. Die anderen mußten dann allein durchbrechen und den Ausgang des Museums finden. Die rothaarigen Gareth-Vettern waren dabei, Beryl von Schun, Hasco, der immer einen kühlen Kopf behielt. Sie würden es schaffen!
Keuchend erreichte Charru die nächste Tür. Sein Finger lag am Abzug der Waffe, doch das lautlos laufende Band, das er betrat, war leer. Kein gläserner Tunnel! Die leuchtenden, undurchsichtigen Wände schützten sie. Immer noch zitterte die Luft vom heulenden Alarmton. Schritte hasteten, ferne Stimmen schrieen durcheinander, ein Gewirr verschiedener Geräusche erfüllte die Klinik. Charru atmete auf, als er durch die auseinandergleitende Tür wieder in die Stille des Museums tauchte.
Stille, die nicht lange anhalten würde.
Sein Blick glitt in die Runde. Er hatte immer noch nicht herausgefunden, wie jene teuflischen Überwachungsanlagen arbeiteten, welcher Art die Augen waren, auf die man achten mußte. Gleichgültig! Blindlings lief er weiter, es gab keine andere Wahl. Camelo war neben ihm, das Gesicht erstarrt zu einer Maske der Spannung. Hinter sich konnte er den junge Akolythen keuchen hören, der Mühe hatte, den schnellen, raumgreifenden Schritt der Tiefland-Krieger mitzuhalten.
Der große Kuppelsaal.
Charru stolperte durch die Finsternis. In den Räumen der ehrwürdigen Universität dachte normalerweise niemand auch nur im Traum daran, zu rennen, und die Leuchtwände flammten erst auf, als sie die Halle schon halb durchquert hatten. Ein neuer Flur. Das große Tor, der Platz, auf dem sie den Gleiterjet stehen gelassen hatten. Auf der Freitreppe blieb Charru sekundenlang stehen, sah sich um und biß sich heftig auf die Lippen.
Silberne Polizeijets!
Sie flogen nicht, sondern schwebten ein paar Handspannen über dem Boden, näherten sich in einer keilförmigen Formation auf einer breiten, vom Netz der hell erleuchteten Transportröhren überspannten Straße. Noch waren sie ziemlich weit entfernt. Aber nicht einmal die schnellen, ausdauernden Steppenbewohner des Tieflands hatten auch nur die leiseste Chance, ihnen zu Fuß zu entkommen.
Charru fuhr herum und packte Camelos Schulter. »Du führst sie zurück und...«
»Nein! Nein, Charru!«
»Du führst sie zurück nach Alt Kadnos! Ich decke euch und bringe mich mit dem Gleiterjet in Sicherheit. Schnell jetzt!«
Sie starrten sich an.
Charrus Augen funkelten und duldeten keinen Widerspruch. Mit einem halb erstickten Fluch wandte sich Camelo nach links und schwang den Arm, damit die anderen ihm folgten. Erein riß den jungen Akolythen mit, der stehen geblieben war. Jeder von ihnen wäre gern zurückgeblieben. Vielleicht hätten sie es auch getan, wenn genug Zeit zum
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