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Söhne der Erde 05 - Flucht in die Sonnenstadt

Söhne der Erde 05 - Flucht in die Sonnenstadt

Titel: Söhne der Erde 05 - Flucht in die Sonnenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne U. Wiemer
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heftig. Sein Blick bohrte sich in Laras Augen.
    »Du mußt wahnsinnig sein«, wiederholte er. »Du mußt...«
    »Mit welchem Recht spielen Sie sich als Richter auf?« fragte Charru ruhig.
    »Mit dem Recht eines marsianischen Staatsbürgers! Um Himmels willen, Lara, begreifst du nicht, was du getan hast? Das ist ein... ein Verbrechen!«
    Lara hob das Kinn. Ein intensiver Glanz lag in ihren Augen.
    »Ist es ein Verbrechen, daß ich versuche, einen Massenmord zu verhindern? Ein sinnloses Blutbad unter Frauen und Kindern?«
    »Und die Vollzugspolizisten dort draußen? Jessardin? Dein eigener Vater?«
    »Sie werden verhandeln. Vielleicht gibt es eine Lösung, wenn sie sich nicht mehr so maßlos überlegen fühlen. Und schließlich geht es ja auch um dein eigenes Leben.«
    »Das spielt keine Rolle! Das darf keine Rolle spielen!«
    »Vielleicht. Aber ich denke anders. Ich will nicht, daß so viele Menschen sterben, begreifst du das nicht?«
    Kerr schüttelte den Kopf.
    Ein Ausdruck fast schmerzhafter Ratlosigkeit glitt über seine sonst so hochmütigen marsianischen Züge. Sekundenlang blieb er mit hängenden Armen stehen, dann wandte er sich heftig ab, stürmte hinaus und schlug die Tür hinter sich zu.
    Charru lehnte immer noch an der Wand.
    »Wird er dich den Behörden verraten?« fragte er.
    »Ich glaube nicht. Er kann nur nicht begreifen, warum ich es getan habe. Ich begreife es ja selbst nicht...« Sie stockte und sah zu Boden. »Es war nicht nur wegen der vielen Menschen, die sterben würden«, fuhr sie leise fort. »Früher hätte ich akzeptiert, daß es unvermeidlich ist. Und ich weiß auch jetzt, daß der Präsident nicht anders handeln kann, daß es seine Pflicht ist, das Problem radikal zu lösen.«
    »Aber du denkst anders darüber?«
    Sie hob die Schultern. »Ich weiß nicht mehr, was ich denken soll. Es ist unvernünftig und verrückt, was ich getan habe. Und ich habe es deinetwegen getan. Als Helder und ich zu fliehen versuchten, da wollte ich dich nicht nur ablehnen, Charru. Ich wollte nicht, daß dir etwas zustieß, daß die Priester über dich herfielen - ich hätte es nicht ertragen. Aber das macht mir Angst. Man kann doch nicht Entscheidungen treffen irgendwelcher Gefühle wegen.«
    »Warum nicht?« fragte er rauh.
    »Weil es unvernünftig und gefährlich ist! Weil es ein Chaos gibt, wenn die Menschen sich nicht mehr nach den Gesetzen der Vernunft richten.«
    »Glaubst du wirklich, daß du den richtigen Weg immer nur mit der Vernunft finden kannst? Nie mit dem Herzen?«
    Sie biß sich auf die Lippen. »Ich weiß nicht mehr, was ich glaube. Ich habe noch nie für einen anderen Menschen so empfunden, ich...«
    Ihre Stimme brach, als sie seine Hände an ihren Schultern fühlte.
    Diesmal war er es, der sie an sich zog. Sie begann zu zittern, preßte das Gesicht gegen seine Brust, klammerte sich mit verzweifelter Kraft an ihn wie eine Ertrinkende. Und dann, als sie langsam den Kopf hob und mit geschlossenen Augen seine Lippen suchte, schien sekundenlang alles um sie zu versinken.
    Charru vergaß, daß draußen die Mars-Armee mit ihren vernichtenden Waffen stand.
    Er wünschte sich, den Augenblick festzuhalten, diese eine kurze Minute jäh aufflammender Leidenschaft, die er vielleicht nie wieder erleben würde. Er wünschte sich weit fort, irgendwohin, wo es keine tödlichen Drohungen gab, wo die Menschen nicht um ihr Leben kämpfen mußten und ihren Gefühlen folgen konnten. Schmerzhaft wurde ihm bewußt, daß Lara bleiben würde, wenn er sie bat. Aber er wußte zugleich, daß er das nicht tun konnte.
    Sanft schob er sie ein Stück von sich.
    »Du mußt gehen«, murmelte er.
    »Und - wenn ich lieber bleiben möchte? Hier bei euch?«
    »Nein, Lara, du kannst nicht bleiben. Ich bin es deinem Vater schuldig. Und für mich ist es leichter, dich in Sicherheit zu wissen.«
    Sie wußte, daß er nur die halbe Wahrheit sagte.
    Niemand hier war in Sicherheit, und jetzt zum erstenmal vermochte sie sich vorzustellen, was das für den bedeutete, der die Verantwortung trug. Aber alle diese Menschen glaubten, keine andere Wahl zu haben. Sie, Lara, gehörte nicht dazu, sie würde immer eine Fremde bleiben. Sie verstand nicht, was es eigentlich war, für das jetzt sogar die Priester kämpften. Sie verstand nicht, warum sie sich nicht ergeben konnten, warum ihnen das Leben der meisten Marsianer so unerträglich erschien - nicht einmal, was in ihren Augen so Schreckliches an den Reservaten der alten Marsstämme war. Mit einer

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