Söhne der Erde 06 - Das Erbe des blauen Planeten
tief. Sekundenlang ging sein Blick durch alles hindurch, während er sich klarmachte, was die Worte des Marsianers bedeuteten. Sie konnten hierbleiben! Sie hatten ein Versteck, in dem sie niemand so leicht aufspüren würde. Mochte das unterirdische Labyrinth auch noch so rätselhaft sein- vorerst war es ihre Rettung.
Er lächelte, als er in die Runde sah. Ein Lächeln der Erleichterung zum erstenmal nach langer Zeit.
»Laß wieder Wachtposten aufstellen, Erein«, ordnete er an. »Hakon, du wartest an der nördlichen Mauer auf die Jets. Wir anderen werden uns inzwischen weiter umsehen.«
*
Jarlon, Karstein und Gillon verbrachten zwei Stunden mitten in einer glühenden, mörderischen Öde, die vergessen ließ, daß es Wasser und Gras überhaupt gab.
Sie hatten es zu eilig gehabt, um auch nur ein Minimum an Ausrüstung mitzunehmen. Jetzt begannen sie den Durst zu spüren, und die Vorstellung, daß die Antriebsenergie der Fahrzeuge nicht mehr für den Rückflug reichen könnte, nagte an ihnen, obwohl niemand es zugab. Der Stand der sinkenden Sonne verriet ihnen, wie spät es war. Alle drei atmeten erleichtert auf, als es endlich Zeit zum Aufbruch wurde.
Sie flogen einen weiten Bogen und hielten sich dicht am Boden, wo Felsblöcke und schroffe Tafelberge sie schützten. Jarlon hatte die Spitze. Das Hügelgebiet, das vor ihm auftauchte, weckte die Erinnerung an die zerlumpten Elendsgestalten, die dort hausten. Er war nicht erpicht auf eine weitere Begegnung mit ihnen, aber die Schluchten zwischen den Hügeln boten die einzige Möglichkeit, sich mit den Jets der Ruinenstadt zu nähern, ohne Gefahr zu laufen, daß der marsianische Suchtrupp sie entdeckte.
Falls er noch nicht abgezogen war...
Jarlon grub die Zähne in die Unterlippe, während er einem breiten, gewundenen Tal folgte. Die Angst würgte wie eine unsichtbare Faust an seiner Kehle. Er hätte nicht gezögert, sich dem Kampf mit den Vollzugspolizisten zu stellen. Aber weit ab von den Ereignissen zu sein, nicht zu wissen, was geschehen war, ob die Marsianer das Labyrinth unter der Stadt kannten, ob es vielleicht ein Massaker gegeben hatte - das ließ sich nur schwer sagen.
Vorsichtig lenkte der Junge den Jet in eine der schmaleren Schluchten, die das breite Tal mit dem offenen Gelände verbanden.
Karstein und Gillon folgten ihm. Der rothaarige Tarether beobachtete mit zusammengekniffenen Augen, wie Jarlon sehr dicht am Boden den Ausgang des Canyons anflog und den Jet weitergleiten ließ bis zu einer Gruppe wichtiger, von unbekannten Naturgewalten aufgetürmter Felsblöcke. Die Deckung war gut, auch die beiden anderen Fahrzeuge konnten dort landen. Schweigend stiegen die drei Männer aus, duckten sich zwischen die Steine und glitten weiter, bis sie die Ruinenstadt im Blickfeld hatten.
Aus der Entfernung waren nur Umrisse zu erkennen.
Im Westen sank bereits die Sonne, färbte den Himmel blutrot und tauchte die Stadt in düsteres, glühendes Karmesin. Kein Wort fiel, während die drei Terraner weiterschlichen. Spannung und Ungewißheit lasteten auf ihnen. Etwa zehn Minuten brauchten sie, um ein paar steil aufragende Felsennadeln zu erreichen - und dort endlich konnten sie die Gestalt auf der nördlichen Mauer der Stadt erkennen.
Hakon! Unverkennbar mit seiner langen strohfarbenen Mähne!
Gillon atmete tief aus. Rasch trat er aus der Deckung und machte eine weit ausholende Geste. Zweimal mußte er sie wiederholen, dann riß auch Hakon drüben auf der Mauer die Hände hoch und schwenkte die Arme.
»Sie haben's geschafft!« flüsterte Jarlon erstickt. »Die Marsianer kennen das Labyrinth nicht. Wir können bleiben. Wir haben ein Versteck, endlich!«
Seine Augen brannten.
Gillon preßte die Lippen zusammen. Er brachte es nicht über sich, den Jungen an die tödliche Strahlung zu erinnern, vor der sie Lara Nord gewarnt hatte. Die Ernüchterung würde früh genug kommen. Gillon fuhr sich mit allen fünf Fingern durch sein rotes Haar und wandte sich um.
»Besser, wir verschwinden«, sagte er knapp. »Ich habe keine Lust, unsere Jets diesen Irren abjagen zu müssen, die hier hausen.«
Die anderen folgten ihm.
Geduckt huschten sie durch das Gewirr von Felsen und Dornengestrüpp. Die Nacht kam jetzt rasch, wie überall in der Wüste. Zwischen den Hügeln nisteten bereits schwarze Schatten, im Westen verblaßte allmählich die Glut des Himmels. Ganz kurz blieben die drei Männer stehen und lauschten, dann legten sie lautlos die letzten Meter bis zu dem
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