Söhne der Erde 06 - Das Erbe des blauen Planeten
an das, was Lara und Helder Kerr über die unbekannte Strahlung in der Sonnenstadt gesagt hatten. Strahlung, die das Gehirn angriff und später zum Tod führte. Dieser hagere, zerlumpte Mann war der lebende -noch lebende - Beweis dafür. Sein Kichern, sein wirres Krächzen, seine fiebrigen Augen verrieten den Wahnsinn, der allmählich seinen Geist zerstörte. Und um zu sehen, daß er bereits vom Tode gezeichnet war, bedurfte es nur eines Blickes.
»Habt ihr Frauen bei euch?« fragte Katalin leise. »Kinder?«
Tot ...alle tot ...Ein paar Kinder leben. Die Krankheit verschont die Kinder. Aber dafür werden sie als Krüppel geboren, verwachsen, mißgestaltet...«
Charru schauerte. Er kannte die medizinischer Zusammenhänge nicht, doch er ahnte, daß auch für das Geschick dieser Kinder die unbekannte Strahlung verantwortlich war. Sie selbst mochten nicht betroffen worden sein, da die Strahlung offenbar nicht ständig existierte. Aber das Verhängnis hatte sich auf sie vererbt und wirkte weiter, schlug die kleine Gruppe Abtrünniger mit einem schlimmeren Schicksal, als es die marsianischen Behörden je vermocht hätten.
Charru begriff, warum diese Menschen jeden Fremden haßten, der in ihre Nähe kam. Sie hatten Grund zu hassen. Sie hätten Grund genug gehabt auch ohne den Wahnsinn, der in ihnen brannte.
»Kannst du uns zu deinen Freunden führen?« fragte er ruhig. »Wir wollen Frieden. Wenn wir uns verständigen - vielleicht können wir uns gegenseitig helfen«.
»Und Maringo?« flüsterte er. »Und Maringo?«
Der Hagere kniff die Augen zusammen. Augen, in denen von einer Sekunde zur anderen ein wildes Licht flackerte.
»Und Maringo?« flüsterte er. »Und Maringo?«
»Was ist mit ihm?«
»Er ging in die Stadt. Er fürchtete die Stadt nicht, weil ihm der Tod schon zu nahe war, aber er kam nicht zurück. Ihr habt ihn umgebracht! Ihr seid Mörder, Mörder ...«
Charru schüttelte den Kopf. Beschwörend starrte er den anderen an, wollte etwas sagen, doch er kam nicht mehr dazu.
Blitzartig sprang der Hagere einen Schritt zurück und hob die Hand an die Lippen.
Ein gellender Pfiff ertönte. Von irgendwoher antwortete ein krächzender Schrei, dann wurde es jählings in der Schlucht lebendig.
Von einer Sekunde zur anderen waren sie da: hinkende, verkrümmte, geifernde Gestalten, Kranke und Krüppel, eine Mitleid und Grauen erregende Flut des Elends, Charru begriff, daß nichts den Irrsinn mehr aufhalten konnte.
VIII.
In die Tunnel und Gewölbe unter der roten Ruinenstadt drang kein Sonnenstrahl.
Helder Kerr befand sich in einem kleinen Raum, der dem mit den zahllosen Fächern gegenüberlag. Der Marsianer stand vor einem kompakten Instrumentenblock, der auf eine Berührung hin aus der Wand geklappt war und ihm fast den Schädel eingeschlagen hatte. Kerr begriff immer noch nicht, welche Art von Mechanismus das bewerkstelligt hatte. Er begriff auch das Gerät nicht, das automatisch aus dem Block herausgefahren war und jetzt mit einer Art Kristall-Linse auf die gegenüberliegende Wand zielte. Und am allerwenigsten begriff er die Gelassenheit der Menschen die sich hinter ihm drängten.
»Sie wissen nicht, was es ist«, stellte Beryl von Schun fest. »Wissen Sie wenigstens, womit es Ähnlichkeit hat?«
Kerrs Nasenflügel vibrierten. »Mit einem Filmprojektor. Eine sehr entfernte Ähnlichkeit.«
Beryl runzelte die Stirn.
»Ein Filmprojektor«, wiederholte er. »Und diese merkwürdigen runden Kassetten - sagten Sie nicht, daß die Sie an Filmspulen erinnern?«
Kerr fuhr sich mit dem Handrücken über das Kinn.
Er hatte eine heftige Entgegnung auf der Zunge. Dann machte er sich klar, daß er nur deshalb gereizt reagierte, weil dieser hellhaarige Barbar schneller auf die richtige Gedankenverbindung gekommen war als er selbst. Beryl von Schun hatte schon im Wrack der »Terra« Dinge fertiggebracht, die eigentlich außerhalb seiner Fähigkeiten hätten liegen müssen. Er besaß eine ausgeprägte technische Intelligenz, und Kerr fragte sich unwillkürlich, ob die Wissenschaftler des Projekts Mondstein das wohl so gewollt oder gar nicht geahnt hatten.
Er schob den Gedanken beiseite - die Idee mit den Filmspulen faszinierte ihn jetzt selber.
»Versuchen wir's«, schlug er vor. »Holen Sie einfach ein paar von den Kassetten herüber.«
Beryl nickte und wandte sich ab.
Während er durch die Tür verschwand, beugte sich Helder Kerr über das fremdartige Gerät und versuchte, seine Funktion zu enträtseln. Auf der
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