Söhne der Erde 07 - Die Herren Der Zeit
flüsternd in ihrer Felsennische.
Der blinde Junge lehnte an der Wand, die Knie angezogen, das schmale Gesicht gespannt im unruhigen Fackellicht. Das einarmige Mädchen hockte neben ihm und starrte düster zu der schweigenden Versammlung hinüber. Zwei kleinere Kinder drängten sich dicht aneinander. Sie waren Zwillinge, doch nur ihre Gesichter glichen sich, nicht die Körper: der eine zwergenhaft verwachsen, der andere größer, kräftiger, aber mit verkrüppelten Händen und Beinen.
»Sie warten«, murmelte das Mädchen. »Worauf warten sie nur, Robin?«
»Was sollen sie sonst tun?« fragte der blinde Junge.
»Kämpfen!« Unter dem wirren, verfilzten Haar funkelten die Augen des Mädchens in einem rebellischen Feuer. »Hinausgehen und so viele töten, wie sie können!«
»Sie würden nur schneller sterben. Diese Teufel lassen niemanden an sich heran. «
»Ob sie kommen werden, diesmal?«
»Ich weiß nicht. Ich glaube. Sie wollen sich rächen.«
»Können wir nicht fliehen?« fragte der Junge mit dem zwergenhaften Körper. Wir fünf - mit einem Gewehr?«
»Und wohin?«
»Egal! Nur weg! Die da sind doch alle wahnsinnig. Sie hocken da und warten! Sie taugen nichts mehr, sie werden sich einfach abschlachten lassen.«
»Man würde uns finden. «
»Aber hier finden sie uns auch. Ich will nicht sterben! Ich nicht! Und wenn, dann will ich vorher noch ein paar von diesen Teufeln umbringen.«
Der Junge mit dem Namen Robin rührte sich nicht. Seine blinden Augen starrten ins Leere.
»Vielleicht«, murmelte er. »Vielleicht versuchen wir es...Laß mich nachdenken...«
*
Lautlos löste sich Charru aus dem Schatten des Torbogens, lief ein paar Schritte durch den feinen roten Sand und duckte sich hinter den nächsten Felsblock. Mit zusammengekniffenen Augen suchte er den Himmel ab. Er konnte nichts entdecken. Aber die Nacht erschien ihm ungewöhnlich dunkel, und er war nicht sicher, ob er die Robotsonden rechtzeitig erkennen würde, falls sie wieder über den Hügeln auftauchten.
Er hielt sich dicht im Schutz von Felsen und Geröll, bewegte sich lautlos wie eine Schlange. Eine lockere Weste aus grobem Leinen schützte seinen nackten Oberkörper vor der schneidenden Kälte der Wüstennacht, den Gürtel mit Schwert und Dolch hatte er darübergeschnallt. Vielleicht wäre es besser gewesen, unbewaffnet zu gehen, doch er hatte sich nach reiflicher Überlegung dagegen entschieden. Zu deutlich erinnerte er sich an die wilde, hemmungslose Angriffslust der Hügelleute. Wenn er sie nicht überzeugen konnte, wollte er wenigstens die Chance haben, sich den Weg freizukämpfen.
Er brauchte mehr als eine Stunde für den Weg, der mit dem Jet nicht mehr als ein Hüpfer gewesen war.
Im Schatten der hochragenden Felsennadeln verharrte er einen Moment und sah sich aufmerksam um. Alles blieb still. Lange starrte er in den Himmel, dann war er sicher, daß die Marsianer ihre Robotsonden immer noch nicht wieder ausgeschickt hatten. Selbst wenn sie fast völlig mit der Dunkelheit verschmolzen wären, hätten ihre Schatten doch ab und zu die Sterne verdunkeln müssen.
Charru glitt weiter, hinüber zu dem Tal, in dem sie durch Zufall ein Versteck der Hügelleute entdeckt hatten.
Der Versuch, mit ihnen Kontakt aufzunehmen, war damals gründlich schiefgegangen. Aber jetzt herrschten andere Bedingungen. Die Hügelleute wurden von einem schrecklichen Tod bedroht, und das Gespräch, das er, Charru, damals mit jenem Lirio Ferrano geführt hatte, mochte inzwischen weitergewirkt und die Einstellung der anderen verändert haben.
In dem Tal nistete dichte, undurchdringliche Finsternis.
Die ausgerissenen Sträucher, die den Höhleneingang tarnten, entdeckte Charru erst, als er das kleine Plateau erreichte. Er wartete, lauschte angespannt in die Nacht. Damals war Lirio Ferrano plötzlich aus einer Deckung getaucht. Heute jedoch rührte sich nichts. Nur der stetige Wind sang zwischen den Felsen und raschelte im dürren Gras.
Mit ein paar Schritten erreichte Charru die Steilwand, preßte sich dicht an die Felsen und zog vorsichtig einen der dürren Sträucher etwas zur Seite.
Ein schwarzer, unregelmäßiger Spalt klaffte dahinter. Charru lauschte sekundenlang, dann schob er sich durch den Eingang und zerrte hinter sich die Sträucher wieder an ihren Platz.
Nur noch der schwache Abglanz des Sternenlichts sickerte durch das dürre Laub. In der Höhle war die Dunkelheit so undurchdringlich, daß sich nicht einmal die Wände erkennen ließen.
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