Söhne der Erde 11 - Die Katakomben von Luna
herausforderst?« fragte er. »Ich nehme an, du willst dich mit den Gefangenen verbünden, die dort eingekerkert sind.«
Lara hob mit einem Ruck den Kopf.
Ihr Blick wanderte zwischen den Männern hin und her. Charru nickte langsam.
»Das auch«, sagte er. »Einer von ihnen ist Conal Nords Bruder. «
»Du schuldest ihm nichts, du... «
»Sicher nicht. Aber wenn er seinem Bruder gleicht, wird er eine Chance erkennen und zu nutzen verstehen, und das würde ihn automatisch zu unserem Verbündeten machen. Dazu kommt noch eine Reihe von anderen Gründen. Der Mond bietet nur Gefahren, die wir einigermaßen abschätzen können. Wenn wir auf der Erde bei der Landung Bruch machen, sitzen wir fest. Wenn das gleiche auf Luna passiert, bleibt uns immer noch die Chance, den Marsianern ein anderes Schiff abzujagen. Außerdem können wir uns auf Luna das beschaffen, was wir am dringendsten brauchen: Landeboote, um die Erde zunächst einmal auszukundschaften. «
»Richtig«, sagte Gerinth. »Und nebenbei brennst du darauf, die Kerkermeister mitsamt ihren Waffen und Schiffen zu verjagen, nicht wahr?«
Charru sah ihn an. Seine Augen hatten sich verdunkelt. »Und? Weißt du nicht genau wie ich, für welche Vergehen die Marsianer Menschen in diese Strafkolonie schicken? Daß sie überhaupt noch leben und nicht liquidiert wurden, beweist schon, daß sie sich nicht viel Schlimmeres haben zuschulden kommen lassen als Ungehorsam gegen ihren Staat. Helder Kerr wäre nach Luna deportiert worden. Menschen wie er müssen dort leben. Ist es etwas Schlechtes, ihnen helfen zu wollen?«
»Nein«, sagte Gerinth ruhig. »Ich frage mich nur, wieviel Gewicht du diesem Punkt beimißt. Du darfst nicht die Sicherheit aller aufs Spiel setzen. Und welche Gefahr sollte bei einer direkten Landung auf der Erde drohen, der wir nicht begegnen könnten?«
»Die Gefahr einer Strahlenverseuchung«, schaltete sich Lara ein. »Es gibt keine Möglichkeit, einen sicheren Landeplatz vom Orbit aus zu finden. Es stimmt, daß wir bei einer Bruchlandung in eine tödliche Falle geraten könnten, aus der es kein Entkommen mehr gibt. «
Gerinth fuhr sich mit der Hand über das weiße Haar. »Und Luna ist sicherer?«
»Ja - wenn man von den Waffen absieht, die dort stationiert sind. Aber die können uns auch auf der Erde oder im Raum treffen.«
Gerinth seufzte und hob ratlos die Schultern. Die anderen schwiegen. Niemand war seiner Sache sicher, auch Charru nicht. Er biß die Zähne zusammen.
»Wir können diese Entscheidung nicht hier in der Pilotenkanzel treffen«, sagte er gepreßt. »Sie geht alle an. Also werden auch alle darüber abstimmen.«
V.
Transportbänder surrten.
Aus der Tiefe des schräg verlaufenden Schachtes kamen in endloser Folge Förder-Container, erreichten den Stollen, kippten ihre Last aus zerkleinertem erzhaltigem Gestein in Groß-Container. Mark Nord hatte nichts weiter zu tun, als immer wieder einen bestimmten Hebel von links nach rechts zu bewegen - endlos und geisttötend. Es war nicht anstrengend. Jeder Behandlung in der Psycho-Zelle folgten automatisch zwei Tage lichter Tätigkeit. Aber es war eine Arbeit, die einen Mann an die Grenze des Wahnsinns treiben konnte.
Die Langeweile außerhalb der Föderation war nicht der einzige Grund für die Rückständigkeit und das teils völlige Fehlen der Technik auf Luna.
Den Vereinigten Planeten wäre es ein leichtes gewesen, den Bergbau auf dem Erdenmond so zu perfektionieren, daß es nur einiger weniger Arbeitskräfte zur Überwachung der Computer bedurft hätte. Es wäre auch leicht gewesen, die Deportierten unter Drogen zu setzen und in willenlose Marionetten zu verwandeln, die ihr Schicksal ,nicht mehr begriffen. Aber die Verhältnisse hier orientierten sich ausschließlich an der psychologischen Wirksamkeit. Der Zweck der Mond-Bergwerke war nicht in erster Linie die Förderung von Bodenschätzen, sondern die Umerziehung von Menschen, die sich anderen Disziplinierungs-Maßnahmen widersetzt hatten.
Das Prinzip war ebenso einfach wie brutal: wer an diesem Ort ein paar Jahre verbracht hatte, strengte sich für den Rest seiner Tage an, sich nichts mehr zuschulden kommen zu lassen.
Die Strafen, die verhängt wurden, überschritten selten die Dauer von fünf Jahren, sofern es sich nicht um lebenslängliche Deportationen handelte. Die waren allerdings zahlreich, obwohl die Strafe in solchen Fällen völlig ihren Sinn verfehlte. Selbst nach zwanzig Jahren spürte Mark Nord noch den kalten Haß,
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