Söhne der Erde 12 - Inferno Erde
wortlose Sprache des Verhaltens verstehen würden. Jarlons Augen funkelten wie Saphire. Die Gesichter von Karstein, Erein und Shaara spiegelten Spannung und Neugier. Und in Gerinths nebelgrauen Augen lag eine andere, tiefere Erregung. Die Ahnung, daß dieser Planet wirklich ihre Heimat und seine Menschen ihre Nachbarn und Freunde werden konnten. Das Wissen, daß die Terraner aus der Welt unter dem Mondstein nicht allein waren, nicht hoffnungslos isoliert im Niemandsland zwischen der beklemmenden Computer-Welt der Vereinigten Planeten und einer Hölle, wie sie die Marsianer auf der Erde zu sehen glaubten.
Ein paar Minuten später öffnete sich jenseits einer Felsengruppe eine kleine, geschützte Senke.
Erein und Jarlon unterbrachen ihr geflüstertes Gespräch über die Frage, ob die marsianischen Wissenschaftler - denn nur denen konnte die Kenntnis der »Sprache der Götter« zu verdanken sein - wohl öfter hier landeten.
Einen Augenblick blieben die Terraner stehen und betrachteten das langgestreckte Gebäude, das dort unten lag, versteckt und kaum von der Umgebung zu unterscheiden. Eine Art Halle, sehr groß, aus grob behauenen Steinen errichtet, das tief heruntergezogene Dach mit getrockneten, schilfartigen Pflanzen gedeckt. Es gab nur wenige kleinere Nebengebäude, die an Zelte erinnerten. Die Funktion verschiedener Geräte und Holzgerüste konnten die Terraner auf Anhieb nicht enträtseln. Langsam gingen sie weiter, durch das Tor, das ihre Gastgeber für sie aufhielten, und tauchten in den Schatten des großen, düsteren Bauwerks.
Balken und grobgewebte Wandbehänge, niedrige Holzbänke, Felle und geflochtene Matten, der gewaltige Kamin mit dem prasselnden Feuer - das alles erinnerte nicht äußerlich, aber in seiner schlichten, festgefügten Zweckmäßigkeit an die alte Königshalle von Mornag. Links und rechts drängten sich Männer und Frauen, Halbwüchsige und einige Kinder. Stumm und ehrerbietig verneigten sie sich und verharrten gebeugt, bis die Gruppe der Neuankömmlinge vorbei war.
»Die Marsianer müssen größenwahnsinnig gewesen sein«, murmelte Jarlon zwischen zusammengepreßten Zähnen.
Gerinth schüttelte den Kopf. »Nein, Jarlon. Ich glaube nicht, daß sie sich bewußt als Götter haben verehren lassen ...«
Er brach ab, da sie die Stufen eines etwas erhöht liegenden Podestes erreicht hatten, jenen Teil der Halle offenbar, der den Anführern oder Würdenträgern vorbehalten war.
Die Wandbehänge leuchteten in prächtigeren Farben, genau wie der Umhang des Mannes, der sich jetzt von einem hohen, geschnitzten Stuhl erhob. Er war größer als die meisten anderen, kräftiger, doch auch seine Erscheinung wurde beherrscht von der schlanken, sehnigen Statur, der hellen Haut und dem hellen, fast weißen Haar, das dicht wie Fell seinen Kopf, das Kinn und die Wangen bedeckte.
Die Männer, denen die fünf Terraner bis hierher gefolgt waren, nahmen links und rechts von dem Bärtigen Aufstellung. Auch er verneigte sich ehrfürchtig. Das Mädchen Schaoli, das sich »Schwester der Sterne« genannt hatte, vollführte eine zeremonielle Handbewebung.
»Mein Vater Grom, Führer des Volks vom Meer, entbietet den Silbernen seinen Gruß. Das Volk vom Meer heißt die Götter von den Sternen willkommen.«
Karstein furchte unwillkürlich die Stirn. Shaara, Jarlon und Erein nahmen das Mißverständnis, das vermutlich in uralten Traditionen wurzelte, inzwischen gelassen. Gerinth überlegte flüchtig, warum die Fremden ihre Götter wohl die »Silbernen« nannten. Im nächsten Moment fiel ihm die Erklärung ein. Für die Marsianer war die Erde eine verseuchte Hölle, und wahrscheinlich hatten sie ihre Schiffe nie anders als in Schutzanzügen verlassen.
Raumschiffe, die aus dem Himmel kamen, fremdartige Wesen in schimmernden Anzügen, eine Technik, die wie Zauberei anmutete. Es bedurfte keiner großen Kraft des Aberglaubens, um dahinter göttliches Wirken zu vermuten.
Vielleicht wäre es den Menschen unter dem Mondstein ähnlich ergangen, hätten sie je die Gigantengestalten jenseits der Kuppel ihres Himmels gesehen, statt ihre Welt von außen neu zu entdecken als das, was sie war: ein Spielzeug. Die Menschen der Erde konnten ihre Welt nicht von außen sehen. Und die Marsianer, die ihnen die Wahrheit hätten zeigen können - für die Marsianer waren sie nur ein Beobachtungsobjekt, ein anderes Spielzeug ...
Minutenlang hing der weißhaarige Älteste seinen Gedanken nach.
Er hörte die Stimmen hinter sich, die in
Weitere Kostenlose Bücher