Söhne der Erde 12 - Inferno Erde
grünliche Dämmerlicht. Sein Profil war blaß und angespannt. Er sah sich nicht um.
»Ich habe keinen langen Ausflug vor«, knurrte er. »Laß mich allein gehen.«
»Nein«, sagte Charru gelassen.
»Verstehst du nicht? Es ist wie im Kampf, wenn dir eine bestimmte Waffe eine Wunde beigebracht hat. Weiche ihr einmal aus, und du wirst nie wieder du selbst sein, wenn du dich ihr stellen mußt.«
»Deshalb sind wir ja hier. Aber ich kann nicht behaupten, daß ich diese Schlangen oder was es sind besonders vermisse.«
»Ich auch nicht.« Kormak zuckte die Achseln und ging weiter. »Ich weiß nur, daß ich mich allein nicht von ihnen hätte befreien können. Und ich frage mich, was sie dann eigentlich mit mir getan hätten.«
Charru zog es vor, über diese Frage nicht so genau nachzudenken.
Er hatte das Gefühl gehabt, daß die unheimlichen Fangarme ihn fortziehen wollten - aber wohin? Die fremdartigen Kreaturen hatten den schlangenhaften goldenen Gestalten nichts getan. War es möglich, daß da zwischen völlig verschiedenartigen Wesen eine Verständigung existierte, eine Art gegenseitigen Beistands? Die Menschen konnten sich sehr wohl bedroht gefühlt haben. Und sie waren unbewaffnet gewesen, scheu, fluchtbereit: nackte goldene Geschöpfe, die jedenfalls alles andere als wehrhaft wirkten ...
Charru blieb stehen und ließ die Augen langsam in die Runde wandern.
Auch Kormak verharrte. Immer noch war nirgends etwas Schlingpflanzen- oder Schlangenartiges zu sehen. Verbergen konnten sich die Kreaturen allenfalls hoch oben in den undurchdringlichen dichten Baumkronen oder unter der Erde. Charru zögerte einen Moment, dann wandte er sich nach rechts und schlug die Richtung ein, wo das helle Grau einer Felswand durch Stämme und Farnwedel schimmerte.
Daß auch hier die Luft stickig und heiß war, wurde ihm erst bewußt, als er den Schweiß in seinen Augen brennen fühlte.
Vielleicht, dachte er, hatten Gerinth und die anderen mehr Glück. Weder die Tempeltal-Leute noch die Tiefland-Stämme, die das Leben in offenen Steppen gewohnt waren, würden die lastende Schwüle dieser Wälder auf die Dauer ertragen. Und geheimnisvolle Nebelseen, angriffslustige Pflanzen und Tore, hinter denen sich alles mögliche verbergen konnte, waren auch nicht gerade geeignet, den Alltag zu erleichtern.
Charru zuckte zurück, als plötzlich etwas vor seinen Füßen raschelte.
Blitzartig verschwand ein kleines braunes Tier zwischen den Farnwedeln. Ein harmloser Nager. Kormak atmete hörbar aus, aber er brachte schon wieder ein etwas schiefes Lächeln zustande.
Vor ihnen schimmerte Sonnenlicht jenseits der letzten Stämme.
Steil stieg die graue, zerklüftete Wand an. Auf dem felsigen Grund davor war die Erde dünn, so daß die Bäume umstürzten, wenn sie eine gewisse Höhe erreicht hatten. Charru ließ den Blick über das Gewirr der toten Stämme wandern - und sog im nächsten Moment scharf die Luft durch die Zähne.
Zwei vorspringende Felsennasen bildeten einen schattigen Winkel.
Ein länglicher Steinblock, der irgendwann herabgestürzt sein mußte, war schräg dazwischen festgeklemmt wie ein Türbalken.
Und darunter, deutlich und unübersehbar, hob sich ein schweres, eisenbeschlagenes Balkentor ab, wie sie es schon einmal in jenem dunklen Nebelsee gesehen hatten.
Ein paar Sekunden lang starrten sie schweigend hinüber.
Kormaks Schultern hoben sich unter einem tiefen Atemzug. In seinem kantigen Gesicht hatte die krampfhafte Anspannung einem Ausdruck jäher, neugieriger Erregung Platz gemacht.
»Na also!« sagte er zufrieden. »Mit dem Riegel dürfte es nicht schwer, sein, das Tor zu öffnen. Wir werden herausfinden, was dahinterliegt.«
*
Die Musik hatte etwas Unwirkliches: Muschelplättchen, an haardünnen Fäden aufgehängt, die mit kleinen Stäben angeschlagen wurden und sich zu einem hellen, klingenden Gespinst von Tönen verwoben.
Der dunkle, raunende Klang eines Horns gab den Grundton - leise, als sei er nur dazu bestimmt, die entrückten Bewegungen der Zuhörer zu lenken. Die Terraner wußten nicht genau, wer alles von dem geheimnisvollen Saft der Sternwurzel getrunken hatte. Fast alle, wie es schien. Und es mußte ein äußerst wirksamer Saft sein, wenn er selbst Karstein, den hünenhaften, unverwüstlichen Nordmann, hoffnungslos in einen Traum bannte, in dem die Realität keinen Platz mehr hatte.
Genau wie die anderen saß er auf einem geschnitzten Stuhl zur Rechten Groms, den das berauschende Getränk nicht daran
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