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Söhne der Erde 16 - Der Riß In Der Welt

Söhne der Erde 16 - Der Riß In Der Welt

Titel: Söhne der Erde 16 - Der Riß In Der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne U. Wiemer
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gewesen. Und jetzt, das wußte er, würde Bar Nergal ihn töten.
    Sein Blick glitt über die schweigende Versammlung.
    Zwei der Kriegerinnen hielten ihn fest, hatten ihm zusätzlich die Hände auf den Rücken gebunden. Die übrigen Katzenfrauen standen stumm und angstvoll an den Wänden, die gelben Raubtierlichter erschrocken aufgerissen. Auch Ches Brüder und Schwestern waren da, Chan und Croi und all die anderen. Und seine Mutter! Wie versteinert saß Charilan-Chi auf ihrem Thron, die Lider gesenkt, die Hände ineinander verschlungen. Che suchte ihren Blick - aber sie wich ihm aus, sie wollte ihn nicht ansehen ...
    Und sie wollte ihm nicht helfen. Nicht mehr.
    Che schauerte, als er den schwarzen, tiefliegenden Augen des Oberpriesters begegnete. Das ausgemergelte Greisengesicht unter dem kahlen Schädel verbarg nur mühsam den nackten Haß. Bar Nergals rote Robe war an der Schulter zerfetzt. Che fühlte einen Anflug von wildem, unvernünftigem Triumph, als er den weißen Verband schimmern sah.
    Und die anderen? Hatte er niemanden mit dem Lasergewehr verletzt, nicht einen? Doch - Shamala trug die Hand in einer Schlinge, und sein Gesicht war schmerzverzerrt. Aber er lebte noch. Sie lebten alle noch. Er, Che, würde als einziger sterben.
    Angst schnürte ihm die Kehle zu und ließ ihn schwanken.
    Wie aus weiter Ferne hörte er die Stimme des Oberpriester: fanatisch hervorgestoßene Sätze, von denen Che nur Bruchstücke verstand. Frevel ... Aufruhr ... Ein Anschlag auf die Götter ... Bar Nergals Stimme überschlug sich fast, und die Zuhörer zogen erschrocken die Köpfe zwischen die Schultern.
    »Du hast recht, Erhabener,« sagte Charilan-Chi mit heller, zitternder Stimme. »Er ist schuldig. Seine Tat war unverzeihlich, aber ...«
    »Er hat Blut vergossen, und Blut muß wieder vergossen werden. Nur Blut kann den Frevel abwaschen. Ein Opfer! Die Götter verlangen ein Opfer, das ihren Zorn besänftigt! Ein Menschenopfer ...«
    Wie ein Hammerschlag fiel das Wort in die Stille und schien endlos nachzuzittern.
    Ein Opfer ... Ein Menschenopfer ... Che hob die Augen und starrte seine Mutter an, doch in dem schönen, katzenhaften Puppengesicht war nichts zu lesen.
    »Ein Opfer,« wiederholte sie.
    Leise und ausdruckslos, resignierend - denn für sie gab es keine Auflehnung gegen den Willen der Götter.
    Che kämpfte gegen das Gefühl, daß ihn ein glühender Klumpen von innen her verbrenne.
    »Er ist kein Gott!« krächzte er. »Sie sind Menschen wie wir! Sie haben kein Recht ...«
    »Bringt den Frevler zum Schweigen!« fuhr Bar Nergal dazwischen.
    Che bäumte sich auf, doch er hatte keine Chance.
    Die Kriegerinnen gehorchten den Göttern. In deren Namen hatten sie vor langer Zeit die Männer ihres degenerierten Volkes ermordet, aus dem gleichen blinden Gehorsam sich damit abgefunden, nur noch geschlechtslose, unfruchtbare Sklavinnen zu sein. Der Tod Ches, eines gottgewollten Sohnes der Königin, mochte ihnen wie ein Sakrileg erscheinen, aber der Gehorsam war stärker.
    Der Junge stöhnte, als Krallen seine Haut aufrissen und klauenartige Hände seinen Mund verschlossen. Brutal wurde er auf die Knie gezwungen. Er sah Bar Nergal die Lippen bewegen, aber die Worte, drangen erst nach einer Weile in sein Bewußtsein.
    »... befehle ich, daß diesem Frevler auf dem Opferstein bei lebendigem Leibe das Herz aus der Brust gerissen wird, um den Zorn der wahren Götter zu besänftigen. Nur ein Opfer kann uns vor Unheil bewahren. Nur ein Opfer wird unsere Stärke zurückbringen und die Zukunft zum Guten wenden. So war es immer, und so soll es sein.«
    Stille senkte sich herab.
    Eine tiefe, atemlose Stille, die Che erzittern ließ. Blutrote Schleier waberten vor seinen Augen. Die Gestalt des Oberpriesters auf dem erhöhten Göttersitz schien über ihm aufzuragen wie die Statue eines schrecklichen Dämons. Verzweifelt irrte der Blick des Jungen zu dem zweiten, niedrigen Thron, doch im glatten, schönen Gesicht seiner Mutter gab es nichts, das Hilfe versprochen hätte.
    Charilan-Chis gelbe Katzenaugen verschleierten sich und gingen durch alles hindurch.
    »So soll es sein,« wiederholte sie flüsternd. »Der Wille der Götter wird geschehen.«
    *
    »Das zweite Boot liegt nicht mehr am Strand,« stellte Gerinth fest. Charru runzelte die Stirn. Karstein und seine Begleiter hatten eigentlich eine längere Expedition vorgehabt, wollten nicht nur nach Wasser suchen, sondern die Insel gründlich erkunden. Wenn sie jetzt schon zum Schiff

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