Söhne der Erde 16 - Der Riß In Der Welt
Verständnislosigkeit - nicht so sehr über die Weigerung der Siedler, den Vorschlag des Präsidenten zu akzeptieren, sondern über diesen Vorschlag an sich. Die Rebellen waren verurteilte Kriminelle. Daß ihnen die Begnadigung angeboten wurde, die Möglichkeit, sich als Kolonie offiziell unter den Schutz der Vereinigten Planeten zu stellen, rüttelte am Weltbild der beiden Uniformierten. Carrisser machte sich klar, daß er keinen Kontakt zwischen ihnen und den übrigen Besatzungsmitgliedern mehr zulassen durfte. Eine Amnesie-Behandlung würde das Problem dann lösen.
Und das Problem Mark Nord?
Während er die Schleuse passierte und die beiden Offiziere in ihre Kabinen schickte, zu einer eigentlich überflüssigen Tiefschlaf-Behandlung zwecks Erholung, überlegte der Uranier, was Jessardin tun würde. Den Merkur angreifen auf die Gefahr hin, sich mit Conal Nord zu überwerfen? Die Rebellen in Ruhe lassen? Im Grunde konnte er sich nichts von beidem leisten. Vielleicht würde er abwarten, den Einfluß Conal Nords auf den venusischen Rat einzudämmen versuchen ...
Carrisser hörte auf zu grübeln.
Er hatte keinen Erfolg gehabt, aber er brauchte sich auch nichts vorzuwerfen. Mit einem tiefen Atemzug straffte er sich und betrat einen Transportschacht, um in die Kanzel hinaufzufahren und dem Piloten Anweisungen für den Start zu geben.
Ein paar Minuten später zündeten die Triebwerke. Die »Deimos I« schraubte sich, einen Feuerschweif hinter sich herziehend, in den Himmel, und dort, wo sie gestartet war, wirbelte eine Wolke aus rötlichem Staub auf.
Die Siedler starrten schweigend dem entschwindenden Schiff nach.
Mark las in ihren Gesichtern, was sie bewegte. Jeder fragte sich in diesen Sekunden, ob das nächste, was sie am Himmel über dem Merkur auftauchen sahen, die marsianische Kriegsflotte sein würde. Ken Jarel fuhr sich mit allen fünf Fingern durch das dunkle Haar. Mikael nagte an der Unterlippe.
»Wir sollten uns vorbereiten,« sagte er rauh. »Ich glaube nicht, daß Jessardin lange stillhalten wird.«
Mark zuckte die Achseln. »Auf jeden Fall bleiben uns ein paar Tage. Zeit genug, um uns in den Höhlen einzurichten und das Schiff an einen anderen Platz zu bringen. Wenn sie kommen, spricht zunächst einmal die Wahrscheinlichkeit dafür, daß sie uns überhaupt nicht finden. Und falls sie es doch schaffen, müssen sie sich schon etwas einfallen lassen, um uns anzugreifen. Wir können zumindest einen Teil des Höhlensystems mit Energieschirmen gegen Betäubungsstrahlen absichern. Den Teil, der so tief liegt, daß er nicht einmal durch schwere Laserkanonen oder Energie-Bomben zu knacken ist. Um uns etwas anzuhaben, müssen sie höchstpersönlich in die Gänge eindringen. Und dann haben wir die Chance, uns mit gleichen Waffen zu wehren.«
Schweigen antwortete ihm. Sie wußten, daß es auch noch andere Möglichkeiten gab. Nukleare, chemische und biologische Waffen. Zwischen ihnen und der Vernichtung stand im Grunde nichts als die schwache Hoffnung, daß jede Aktion ihrer Gegner nur auf die Gefangennahme der Opfer zielte, weil Simon Jessardin es nicht wagen würde, sie alle umzubringen.
»Glaubst du wirklich, daß sich dein Bruder auf unsere Seite schlägt, wenn es hart auf hart geht?« fragte Ken Jarel gepreßt.
Mark biß sich auf die Lippen. Er antwortete nicht. Es gab keine Antwort. Aber nach zwanzig Jahren in den Katakomben von Luna genügte es ihnen, daß sie wieder hoffen konnten.
VI.
Minutenlang unterbrach nur das stete Brausen der Brandung die Stille.
Die sinkende Sonne färbte das Wasser rot und tauchte die Gruppe der Aquarianer in einen eigentümlich irisierenden Glanz. Schweigend, fast reglos starrten sie zu dem Schiff hinüber. Das kleine Wesen in Katalins Armen zappelte. Charru nickte der jungen Frau zu.
»Laß es wieder ins Wasser,« sagte er knapp.
»Einfach so? Und wenn diese - diese Haie kommen?«
Charru runzelte die Stirn, weil er an diesen Punkt nicht gedacht hatte. »Du hast recht. Yattur - glaubst du, daß wir etwas näher an den Strand segeln können, ohne auf Grund zu laufen?«
Der junge Fischer nickte nur.
Karstein und Kormak standen bereits an der einfachen Winde, mit deren Hilfe der Steinanker hochgeholt wurde. Sie versuchten es - aber die dicke Trosse rührte sich nicht.
»He!« schrie Karstein. »Da stimmt etwas nicht! Das Ding ist nicht von der Stelle zu bewegen!«
Hakon und Leif sprangen hinzu, um ihnen zu helfen. Keuchend stemmten sie sich in die hölzernen
Weitere Kostenlose Bücher