Söhne der Erde 18 - Das Schattenvolk
er es nicht wußte, beschwor seine Phantasie eine Kette von Schreckensbildern, die an seiner Beherrschung rüttelten. Krampfhaft zog er die Beine an den Körper. Er wollte aufspringen, fliehen, irgendwohin - aber es gab Dutzende von Augen, die ihn beobachteten.
Der Tritt, der ihn über die Kante schleuderte; wirkte fast spielerisch.
Erein schrie auf, als er den Halt verlor, doch seine Muskeln reagierten instinktiv, sein Körper zog sich zusammen, rollte ab und milderte den Aufprall. Rauhes Gestein: Modergeruch, der hier unten wie ein Gewicht lastete. Erein schnappte nach Luft, kämpfte gegen das Dröhnen im Schädel und zuckte zusammen, als er eine Hand an der Schulter spürte.
»Beruhige dich«, hörte er eine vertraute Stimme. »Wir sitzen zwar in der Falle, aber immerhin leben wir noch.«
»Gerinth?« murmelte Erein schwach.
»Du sagst es. - Cris, hörst du mich?«
Der Junge stöhnte, dann atmete er scharf ein. »Wo sind wir? Was ist passiert?«
»Wenn ich das so genau wüßte, wäre mir wohler. Wir sind angegriffen, von den anderen getrennt und verschleppt worden. Jetzt stecken wir in einer Höhle, die offenbar der Schlupfwinkel dieser - dieser Wesen ist. Immerhin scheinen sie uns nicht nach dem Leben zu trachten. Wenn sie uns umbringen wollten, hätten sie das längst haben können.«
Cris schluckte und rappelte sich mühsam auf.
Auch Erein hatte sich mit dem Rücken an der kahlen Felswand hochgeschoben. Er blutete, die Kratzer auf seiner Haut brannten, doch darauf achtete er nicht. Aus zusammengekniffenen Augen sah er sich um, und was er im Halbdunkel erkennen konnte, war nicht im mindesten geeignet, seine Stimmung zu heben.
Glatte Felsen, die auch der geschickteste Kletterer nicht zu bezwingen vermochte.
Die Grube, in die man sie gestoßen hatte, lag am Rand der großen Grotte, in der das Feuer brannte und die unruhigen Bewegungen der fremdartigen Wesen zu hören waren. Eine tiefe Grube, aus der es kein Entkommen gab - das perfekte Gefängnis. Hoch oben in der Decke klaffte ein Loch, durch das Sterne schimmerten, doch auch dieser Fluchtweg war unerreichbar.
Der Geruch nach Moder und Fäulnis, schwer und betäubend trotz des kühlen Luftzugs, ging von den Knochenresten aus, die den Boden bedeckten. Erein grub die Zähne in die Unterlippe, bis er Blut schmeckte, und wandte hastig den Blick ab.
Immerhin scheinen sie uns nicht ans Leben zu wollen, hatte Gerinth zu Cris gesagt.
Aber der rothaarige Tiefland-Krieger begriff beim Anblick der bleichen Knochen nur zu gut, daß die Worte nichts anderes bezweckt hatten, als den zitternden, halb bewußtlosen Jungen ein wenig zu beruhigen.
*
Die Fackel, die im geborstenen Mauerwerk steckte, riß nur einen schwachen Lichtkreis aus der Dunkelheit.
Gespenstisch geisterte der Widerschein über die feuchten Wände des Kellers. Rote, böse Augen glommen im Schatten. Pfoten tappten, spitze Schnauzen stöberten, witterten, kamen näher und näher ...
Der gefesselte Mann starrte wie hypnotisiert auf die wolfgroßen mutierten Ratten.
Carrisser fror, obwohl ihm der Schweiß in Strömen über den Körper lief. Im Rücken spürte er den eisernen Ring, der in die Wand eingelassen war und irgendwann einmal als Halterung für ein Rohr gedient haben mußte. Der Keller gehörte zu Charilan-Chis gespenstischem Unterwelt-Reich, aber er lag unmittelbar am Rand des Raumhafens. Die Priester hatten ihr Opfer einfach hier angebunden und allein gelassen - allein mit den Ratten.
Carrisser biß verzweifelt die Zähne zusammen.
Er wußte, daß Bar Nergal in der Nähe war. Mit dem Funkgerät, damit der Uranier die »Deimos« rufen konnte, sobald die Gesellschaft der Ratten seinen Willen gebrochen hatte. Und danach kam jener andere, teuflischere Plan, jener Wahnsinn, den Marius Carrisser unter allen Umständen verhindern mußte.
Niemals würde er den Priestern helfen, ein Flugzeug mit einer Atombombe auszurüsten.
Niemals, wiederholte er in Gedanken. Unermüdlich hämmerte er es sich ein, wieder und wieder, und versuchte dabei krampfhaft, nicht daran zu denken, was vielleicht in der nächsten Minute mit ihm geschehen würde.
Die Ratten warteten.
Worauf? Wie lange schon? Ihm schien eine Ewigkeit vergangen zu sein, ein endloser Alptraum, in dem ihn die roten Augen belauerten und die nadelscharfen Zähne anbleckten. Einmal waren ihm die grauen Bestien so nahe gekommen, daß ihre spitzen Schnauzen ihn berührten, bevor sie sich wieder zurückzogen. Er ahnte, daß sie einem
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