Söhne der Erde 20 - Durch die Hölle
weiterfressen, knisternd, unermüdlich - bis von den zerstörten Gebäuden nur noch nackte Gerippe übrig blieben.
Die Sonne stieg höher, weißglühend, gefräßig - wie ein hungriges Tier, das sich von der Lebenskraft der Menschen nährte.
Irgendwo im Westen, ein paar Tagesmärsche von der Trümmerstadt entfernt, bewegten sich zwei winzige Punkte durch die Wüste.
Die Luft flimmerte und kochte um sie. Staub wirbelte bei jedem ihrer Schritte auf, puderte die ungeschützte Haut, brannte in übermüdeten Augen und knirschte zwischen den Zähnen. Mühsam taumelten die Flüchtlinge nach Osten, dem Meer zu. Immer öfter stolperten sie und stürzten, immer länger brauchten sie, um sich wieder aufzuraffen.
Irnet war nur noch halb bei Bewußtsein.
John Coradi spürte, wie die Sonne ihm allmählich das Gehirn auszubrennen schien. Er hatte nicht geahnt, wie es sein würde. Er kannte die Wüste nicht und wußte nichts von alledem, was nötig gewesen wäre, um hier zu überleben.
Die beiden Menschen in der hitzeglühenden Einöde waren jenseits von Furcht und Hoffnung.
In der toten Stadt, die zu erreichen sie nie eine Chance besessen hatten, regten sich nur vereinzelte Gestalten und schleppten sich hierhin und dorthin auf der Suche nach Schatten.
Das Mädchen mit dem Namen Cerena lehnte benommen an einem Mauerrest. Seine Augen gingen ins Leere, wirkten wie erloschen. Das Bild der im tödlichen Laserfeuer zusammenbrechenden Mutter brannte tief in seinem Gedächtnis. Und Charilan-Chis letzten Worte vor dem selbstmörderischen Angriff klangen immer noch in ihm nach.
»Du mußt leben, meine Tochter ... Du mußt leben, Cerena, weil du die letzte Hoffnung für mein Volk bist ...«
Ein leises, scharrendes Geräusch erklang im Gewirr eines Trümmerberges.
Müde wandte das Mädchen den Kopf, fuhr erst zusammen, als sie die schmale, staubbedeckte Gestalt erkannte. Ihr Bruder Cor! Verletzt, mit einer Brandwunde an der Schulter. Er taumelte. Das blonde, lockige Haar, das so sehr an seine Mutter erinnerte, hing ihm wirr in die Stirn, die Augen standen voller Tränen.
»Cerena! Sie sind tot, alle tot ...«
Schock und Verzweiflung ließen ihn die Sprache der Götter vergessen und in die fauchenden, unartikulierten Laute seiner frühen Kindheit zurückfallen. Cerena schlang die Arme um seine zuckenden Schultern und drückte ihn an sich.
»Nicht alle, Cor! Sie können nicht alle tot sein!«
»Aber unsere Mutter ... Und Cita! Ich habe Cita gefunden, unter Steinen begraben!«
»Komm, Cor, komm! Laß uns suchen! Celi und Ciaril müssen leben, sie waren gut verborgen. Nicht alle können tot sein. Wir werden sie finden.«
»Und dann?« flüsterte der Junge.
Cerena hielt inne.
Einen Moment lang weiteten sich ihre Augen, glitten langsam und wie blind über die Trümmer. Tief sog sie den Geruch nach Rauch, Feuer und Blut ein, der über der Stadt lagerte, dann straffte sie sich.
»Wir werden fortgehen, Cor«, sagte sie leise. »Weit fort, nach Norden! Dorthin, wo das Land grün ist und wo wir vielleicht leben können ...«
*
Charru suchte den Platz, von dem das marsianische Schiff gestartet war. Ein verbrannter Kreis im Sand, mehr nicht. Ringsum endlose Öde, über der inzwischen schon wieder die Sonne brannte. Charru biß die Zähne aufeinander und kämpfte gegen das Gefühl schwindelerregender Leere, das ihn überfiel, nachdem der letzte Funke unsinniger, völlig irrationaler Hoffnung erloschen war.
»Soll ich weiterfliegen?« fragte Gillon neben ihm leise.
»Nein ...«
»Was jetzt? Zu der Ruinenstadt?« Gillon sprach tastend und behutsam und biß sich auf die Lippen, als er keine Antwort bekam. »Wir sollten es versuchen, Charru. Du hast Cris dein Wort gegeben.«
»Ich weiß. Ich werde mein Wort nicht brechen.«
Schweigend bediente Charru die Instrumente und startete das Beiboot wieder.
Früher wäre er zum Meer und dann an der Küste entlang geflogen. Inzwischen hatte er gelernt, einen bestimmten Ort auch anhand der Koordinaten zu finden, mit deren Hilfe er den Kurs programmierte. Das Beiboot schwebte langsam in Richtung Ost-Nordost. Es hätte sich schneller bewegen, die tote Stadt in kurzer Zeit erreichen können. Aber der Start des Schiffes und die Endgültigkeit des Wissens, daß sie zu spät gekommen waren, schienen die Zeit auf seltsame Weise außer Kraft zu setzen.
Es war Gillon, der die beiden winzigen Punkte in der Wüste entdeckte.
Er hatte das Gelände mechanisch beobachtet, hatte sich auf jeden Hügel und
Weitere Kostenlose Bücher