Söhne der Erde 20 - Durch die Hölle
Marsianer, mit einem offenen Gesicht unter dichtem sandfarbenen Haar. Er trug eine merkwürdige Kombination aus hellblauem Trikot und gleichfarbigem, silbern gesäumten Kurz-Cape. Lara erkannte die traditionelle Tracht der Universität von Jupiter City.
»Entschuldigen Sie die Störung ...« Der junge Mann zögerte und machte eine ratlose Geste. »Wie möchten Sie denn nun eigentlich angeredet werden? Fürstin? Doktor von Mornag?«
»Sie können mich meinetwegen Lara nennen.« Sie sagte es fast gegen ihren Willen.
»Mein Name ist David - David Jorden. Ich möchte Ihnen eine Injektion machen.«
»Sie werden nichts dergleichen ...«
»Aber es geht nicht anders! Sie haben sich länger als ein Jahr von natürlichen Nahrungsmitteln ernährt. Hier können wir Ihnen nur Konzentratwürfel bieten. Sie wissen, daß das ohne Medikamente eine lebensgefährliche Stoffwechselkrise heraufbeschwören würde.«
Sie wußte es in der Tat. Eine ähnliche Umstellungs-Krise hatte die Terraner nach der Flucht aus dem Mondstein gezwungen, in das Gebiet der staatlichen Zuchtanstalten auf dem Mars einzudringen. Damals hatte sie, Lara, Charru von Mornag kennengelernt.
»Sie sind Arzt?« fragte sie.
Jorden grinste. Er schüttelte den Kopf.
»Bioniker und Ökologe«, verbesserte er. »Aber ich stamme vom Jupiter. Die Verantwortlichen hoffen wohl, daß Sie mir weniger Ressentiments entgegenbringen werden als einem Marsianer.«
»Was ein Irrtum ist«, erklärte Lara kühl. »Ich werde mir die Injektion selbst setzen. Und zwar, nachdem ich das Globulin eigenhändig im Labortrakt aus einer versiegelten Ampulle aufgezogen habe.«
»Trauen Sie mir nicht?«
»Nicht im mindesten«, sagte Lara trocken.
»Na gut, dann werde ich Sie ins Labor begleiten.« Jordens Blick wanderte zu der weißen Schlafmulde hinüber. »Brauchen Sie etwas für das Kind?«
»Wenn Sie mich in den Kliniktrakt begleiten, werde ich es mir zusammensuchen. Für das Nahrungsproblem hat die Natur eine sehr gute Lösung - auch wenn Ihnen das barbarisch vorkommen sollte.«
David Jorden seufzte leicht.
Er dachte an Conal Nord, den er in Kadnos kennengelernt hatte. Ein ruhiger, beherrschter Mann mit schulterlangem blondem Haar und den sanften Zügen des Venusiers. Wahrscheinlich hatte er das Mädchen mit den rebellisch blitzenden Augen als ebenso ruhige, ebenso sanfte Venusierin in Erinnerung. Der Generalgouverneur, mutmaßte David Jorden, würde sich sehr wundern, wenn er seine Tochter wiedersah.
Trotzdem sollte die Tatsache ihrer Rückkehr John Coradi als wirksame Rechtfertigung dienen.
David Jorden kniff die Augen zusammen beim Gedanken an den Kommandanten der »Solaris«. Der junge Wissenschaftler fühlte einen merkwürdigen Widerwillen gegen den Mann. Weil er sein Schiff verloren und in Wahrheit vermutlich seine Pflichten verletzt hatte. Und weil er die Tatsache mit einer zweifelhaften Heldentat verschleierte, statt dafür geradezustehen.
Jorden ahnte nicht, daß dem ehemaligen »Solaris«-Kommandanten die eigene Handlungsweise inzwischen längst nicht mehr als Heldentat erschien.
John Coradi fühlte sich trotz der Massagestrahlen erschöpft und elend, als er die Sanitär-Zellen verließ. Das Bewußtsein der Ausweglosigkeit zog seine Magenmuskeln zusammen, weckte körperliche Übelkeit, gegen die allenfalls Beruhigungsdrogen geholfen hätten. Aber Coradi wollte sich nicht beruhigen. Immer von neuem beschwor er Irnets Bild, stellte sich mit selbstquälerischer Verbissenheit das Schicksal vor, das sie erwartete. Die frische Uniform, die in der Kabine neben dem Relax-Center für ihn bereitlag, zog er mechanisch über. Erst als er den Gürtel umschnallte, stutzte er.
Sein Blick sog sich an der kleinen, silbrig schimmernden Waffe fest.
Ein Handlaser, wie er zur üblichen Ausrüstung jedes Offiziers gehörte. Natürlich: Er war immer noch Offizier, er stand nicht unter Arrest - also war es selbstverständlich, daß man ihm neben der Uniform aus dem Fundus auch die Waffe zur Verfügung stellte, auf die er Anspruch hatte. Und er konnte sich völlig frei bewegen, durchzuckte es ihn. Niemand hatte das Recht, ihm Befehle zu erteilen, nicht einmal der Kommandant, mit dem er ranggleich war und der lediglich die normale Höflichkeit des Gastes von ihm erwartete. Niemand würde auch nur auf den Gedanken kommen, ihn nach dem Woher und Wohin zu fragen, wenn er ...
Wenn er was?
Coradi zog die Unterlippe zwischen die Zähne.
Seine Finger zitterten leicht, als er den kleinen
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